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Fakten zur Aufführung 

LE NOZZE DI FIGARO
(Wolfgang A. Mozart)
10. Februar 2006
(Premiere: 30.6.97)

Bayerische Staatsoper München

Mozart-Festwochen 2006

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Blind vor Liebe

Viel wird über Mozart geschrieben, zu viel. Schon müssen die Pusteln in seinem Gesicht für die Zeitgenossenschaft mit uns Pickelgesichtern herhalten, das zeitlose Funktionieren seiner Musik scheint banal. Gut, dass sich die Bayerische Staatsoper zu Mozart-Wochen aufschwingt und alles, was sie im Fundus birgt, auf die Bühne bringt.

Fast schon eine klassische Anmutung hat Dieter Dorns 1997er Inszenierung von „Le Nozze di Figaro“. Jürgen Rose hat dafür ein weißes, stets voll ausgeleuchtetes Durchgangszimmer mit Inventar aus der Mozartzeit bauen lassen. Dass es Rose noch nach Jahren auf Sorgfalt ankommt, verriet seine Gegenwart in der Proszeniumsloge, getreu dem Motto: „If we loose the detail, we loose it all.“ Den Satz Walt Disneys könnten sich auch die Sängerinnen und Sänger zu Herzen genommen haben, denn Spielfreude, Detailverliebtheit, natürliche Gestik und Mimik hatten nichts von einem hektisch hinstudierten Repertoirestück.

Dieter Dorn hält sich ans Mozartsche Drehbuch, weitgehend. Erst der 4. Akt verblüfft, indem er statt im Pinienhain wieder im hellen Einheitsraum spielt. Um emotional wie körperlich aneinander zu geraten, braucht es keine Dunkelheit, allzu offen liegen die Gefühle in diesen drei Stunden. Missverständnisse werden auch gewollt, im Falle von Figaro und Susanna sind sie einem Blindsein vor Liebe geschuldet.

Jonathan Lemalu spielte einen glänzend gelaunten Figaro. Sein sonor warmer Bassbariton erinnert an Bryn Terfel. Als hervorragender Schauspieler gab Lemalu einen geradezu knuffigen Figaro, einen absoluten Sympathieträger. Die leicht mütterliche Susanna von Rebecca Evans passte wunderbar zu ihm, besser als es eine auf extrem feminine Wirkung bedachte Sängerin getan hätte. Seine Susanetta ist eben keine Gräfin, umso besser wenn sie sich stimmlich nicht nobler als diese präsentiert. (Wie edel Evans singen kann, bewies sie allein im Pinienhain.) Anja Harteros gab eine Gräfin mit großem Ton, einem Ton, der weniger für eine verschmähte, zerbrechlich alternde Anmut, als für einen glutvollen, im Saft stehenden Stolz sprach. Starke Rührung packte einen bei ihrem hochemotionalen „Dove sono“. Dagegen wirkte Roman Trekel als Almaviva einfältig. Um dem Grafen mehr als eine Schwerenöternatur mit Eifersuchtsanfällen abzugewinnen, sang Trekel zu eindimensional und farblos. Der Cherubino von Sophie Koch steckte ihn zu leicht in die Tasche. Mit vollem, warmem Mezzo und einem kräftigen Schuss Witz war Koch eine ideale Verkörperung des liebeswütigen Pagen. Von den Nebenrollen sei Antonio, der Gärnter, erwähnt. Alfred Kuhns trockenem Humor und der gelungenen Übertitelung gelangen die besten Pointen.

Zubin Metha leitete den Abend mit Schwung, aber ohne in die Tempi einer historisierenden Aufführung zu verfallen. Das Orchester und auch der Chor schienen ihn bisweilen überholen zu wollen. Vielleicht war Ivor Boltons „Titus“ vom Vortag noch in allzu lebhafter Erinnerung.

Nicht wenige Besucher schienen zu ahnen, dass diese Repertoire-Aufführung etwas Besonderes werden würde und hofften vor der Staatsoper auf Karten, meist vergeblich. Wer drin war, feierte das Ensemble lang anhaltend und herzlich. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl