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Fakten zur Aufführung 

MOSES UND ARON
(Arnold Schönberg)
4. Juli 2006
(Premiere: 28.6.06)

Bayerische Staatsoper München
Münchner Opernfestspiele 2006

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Allmächtig, aber unsichtbar

„Soll man ihn nach diesem Moses beurteilen, dann wird er ein Blutopfer fordern.“ Arnold Schönberg verschweigt in seinem Libretto zu „Moses und Aron“ nie die gewalttätige Seite seines Moses. Das Volk weiß, dass er schon einmal einen Aufseher ermordete. Warum sollte es also seinen neuen Gott für einen mildtätigen halten? Moses ist ein cholerischer Charakter mit Intellektuellengehabe. Auch auf Grund dieser Diskrepanz bringt er seine Botschaft von Gott als einem nicht bildlich greifbaren Wesen kaum an den Mann.

In David Pountneys Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper ist niemand so abwesend, so vollkommen undenkbar wie Gott, um den es doch die ganze Zeit geht. Wunder bleiben menschlicher Firlefanz. Die nackte, bis auf die Brandmauer Durchblick gewährende Bühne mit der schlichten, das Bild durchschneidenden weißen Halfpipe von Raimund Bauer ist keine Stätte für Mirakel. Pountney bekennt in einem Beitrag im Programmheft, dass er in Moses einen gefährlichen Fundamentalisten sieht. Dieser Fundamentalismus bleibt dann aber eine Projektion des informierten Lesers auf den Bühnenmoses. Die Erkennungszeichen heutiger Fundis zur Illustration zu nutzen, scheut sich die Regie. So ist es John Tomlinsons titanischen Tönen von ungeahnter Schlagkraft überlassen, das Bild des Radikalen durchzusetzen.

Pountneys Moses tötet wieder für seine Überzeugung, diesmal seinen Bruder Aron. John Dazsak singt den Aron wirklich mit Kantilene, aber ohne Schmelz. Die Höhen muss er sich bisweilen erkämpfen, die Stimme verengt leicht.

Aron bietet dem Volk den anschaulichen Gott, wenn nötig auch in einer Orgie. Diese stellt jeden Regisseur vor Probleme, denn bereits Schönbergs Regieanweisungen sind ziemlich lächerlich. Auch die trashig bunte Kostümwelt von Marie-Jeanne Lecca, die Biker, Hippies und Jungfrauenintimrasuren, die Farbschlachten und Bluträusche wirken vor allem peinlich. Dass Pountney in der Anarchie letztlich auch Freiheit manifestiert sieht, bleibt nur eine Ahnung. Schönbergs Musik klingt bei so viel Bühnenaktion fast schon wieder nüchtern.

Zubin Mehta ist ein glühender Verehrer dieses Werks. Und seine Verehrung geht dahin, es goutierbarer zu machen, es dem Publikum nicht als Intervallspiel, sondern als klanglich subtile Form einer Art spätromantischer Zwölftonmusik zu präsentieren. Die vorherrschende Dirigierbewegung ist der Kreis – das Runde, das Melodiöse, das Klangstarke hebt Mehta hervor, wodurch „Moses und Aron“ fast zur Kurzweil neigt. Dagegen trumpft der Chor durch markig wuchtige Töne auf. Andrés Maspero hat ihn vorzüglich einstudiert, so dass er zum eigentlichen Star der Aufführung wird.

Dass das Publikum an diesem WM-Halbfinalabend, anders als das Orchester, nicht nach den letzten Tönen die Flucht ergriff, ist ihm hoch anzurechnen. Es feierte die Sänger, den Chor und Dirigenten ausgiebig. Für diese Zuhörer hat Schönbergs Musik ihre Schrecken offensichtlich verloren. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl