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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
7. Juli 2004


(Münchner Opernfestspiele)
Bayerische Staatsoper




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Unsere Nationaloper

Kann man einem Regisseur vorwerfen, seine Figuren zu mögen? Wie Thomas Langhoff in der Münchner Neuinszenierung von Wagners ,Die Meistersinger' über Sachs, Eva, Stolzing, Beckmesser und die verschrobenen Nürnberger Meister nachdenkt, das verrät den Blick des Philanthropen und genauen Beobachters.

Sachs liebt Eva nicht als Frau, sondern als Mädchen von nebenan, das unter seinen Augen groß wurde und selbstverständlich mit einem Problem zu ihm geht, wie sie es immer getan hat. Dieses Verhältnis hat keine knisternde Erotik, aber deshalb nicht weniger Poesie. Pogner zeigt Langhoff als treuherzigen Vater, der nie jemand anderen für Eva vorsah als Stolzing. Beckmesser ist eine pedantische, urkomische Rumpelstilzchentype, die nach dem desaströsen Preislied aber wieder einen Platz am Fenster neben den anderen Bürgern bekommt.

Die Regie rettet die belastete Oper als Nationaloper - als das Stück einer freundlichen, toleranten und hellen Nation. Wie die Meistersinger des Vereins ,Nürnberger Poesie e.V.' nimmt diese ihre Rituale, schwarzen Hüte und stolzen Roben sehr ernst, doch darf auch gelacht werden. Im 1. Akt wird im Einklang mit Wagners Musik, der Meistersinger köstlich albernes Gehabe gezeigt, dem sich Stolzing als Rocker mit Pferdeschwanz unmöglich anpassen kann.

Bloßstellung interessiert Langhoff aber nicht. Das geht so weit, dass er es in der Prügelszene des 2. Aktes nicht übers Herz zu bringen scheint, seine liebgewonnen Charaktere ins Gefecht zu stürzen. An deren Stelle schlagen Skinheadandeutungen aufeinander ein. Hier geht die Inszenierung wohl ein einziges Mal am Stück vorbei, sollte doch gerade die Brutalität der braven Bürger schockieren. So singt Sachs' seinen Wahnmonolog etwas ins Leere. Dafür hat Langhoff die Festwiese vor dem Hintergrund eines weißgrauen Wohnblocks mit Cheerleadern, karnevalesken Zunftinsignien, Livefilm und heutigen Menschen in pastellfarbener Kleidung wieder in das amüsante Kammerspiel der vorausgegangen Akte integriert.

Die Sänger sind als Schauspieler stark gefordert und erfüllen diese Aufgabe bravourös. Stimmlich beeindrucken vor allem die Meister: Jan-Hendrik Rootering singt mit glutvollem, sonorem aber nicht übergroßem Bassbariton, wodurch die bescheidene Person Sachs' in seiner massigen Gestalt wunderbar aufgehoben ist. Stark präsentierte sich Kurt Rydl als voluminöser, kraftvoller Pogner, den auch der Kothner des hervorragenden Jan Buchwald nicht in den Schatten stellte. Buchwald glänzte durch Wortverständlichkeit, die man bei Rootering und Rydl etwas vermisste.

Die Charakterstimmen von Kevin Conners als witziger Rabauken-David und des superben Eike Wilm Schulte als Beckmesser hatten damit keine Probleme. Wilm Schultes quäkige und dennoch kantable Interpretation ist bereits legendär. Robert Dean-Smith versuchte sich als Stolzing an einer lyrisch intimen Deutung der Partie (Preislied!), klang jedoch etwas zu wenig frei und leicht beengt. Bei Michaela Kaune mischte sich in den Mädchenton einer Eva zu viel Emphase und Hysterie, wenngleich die Piani hinreißend schön kamen.

Zubin Mehta zügelte sein Orchester. Weniger im C-Dur-Rausch der flott und markig gespielten Ouvertüre als im Laufe der Oper. Er assistierte im Sinne eines hinhörenden Begleiters und vermied auf der Festwiese allzu großes Auftrumpfen und falsches Pathos.

Das Publikum ließ sich davon zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Dass die Regie nicht jedem gefiel, war wohl der Irritation durch die karge, klare Bühnenbildsprache von Gottfried Pilz zu schulden. Man wird sich daran gewöhnen und die Qualitäten der Inszenierung erkennen. (tv)






Fotos: © Wilfried Hösl