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Fakten zur Aufführung 

THE RAPE OF LUCRETIA
(Benjamin Britten)
22. Juli 2004


Bayerische Staatsoper
(Prinzregententheater)




Points of Honor                      

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Denkbar offene Fragen

Was sagt uns Britten mit seiner zweiten Oper ,The Rape of Lucretia' von 1946? Das Christentum rettet die Welt? Männer zerstören Frauen? Frauen begehren Männer? Politik findet in Betten statt? Deborah Warners Inszenierung im Rahmen der Münchner Opernfestspiele gibt auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten.

Ob Lucretia sich verführen hat lassen und ihre Keuschheit geistig aufgegeben hat, liegt im Auge des Betrachters. Ob Tarquinius ohne niederste Absichten zu ihr stieg - man könnte es glauben. Wenngleich die Männlichkeit von Christopher Maltman dafür fast zu einnehmend erotisch ist. Machtpolitische Dimensionen bleiben in der Regie hingegen Hypothese.

Warners Deutung zaubert dichte, suggestiv atmosphärische Stimmungen ins Prinzregententheater. Dem Zuschauer, der gebannt den Übertiteln folgen kann, ist es überlassen, sich einen Reim auf diese grausame Geschichte zu machen. Liebhaber des faltigen Regietheaters mochten diese Uneindeutigkeit als Beleidigung empfinden, konnte das Werk dadurch ja auch harmloser wirken als es ist. Aber viele Zuschauer schätzen ihre eigene Denkfreiheit wieder höher, als die Freude darüber, die Absichten eines Regisseurs erkannt zu haben.

Bei den Opernfestspielen deuteten sowohl Langhoffs ,Meistersinger' als auch ,Lucretia' an, dass wieder enger am Konzept der Komponisten inszeniert wird und das Heute sich hauptsächlich in Bühne und Kostümen verwirklicht. Warner und ihrem Bühnenbildner Tom Pye ist es beeindruckend gelungen, die riesige Wagnerbühne auszufüllen. Meterhohe Käfige mit abgestorbenen Ästen, ein spiegelnder Boden und offene Rückwände finden durch düstere Lichtarrangements zu bedrückend schönen Stimmungen.

Im Gegensatz zur Regie war die Musik verbindlicher. Die glänzende Sängerbesetzung ließ die Brutalität der Männer gegen die Frauen deutlich hören. Christopher Maltman ist ein großartiger Tarquinius, stimmlich kraftvoll, männlich roh und durchschlagend. Ein ganzer Kerl, der geliebt wie gehasst wird. Sein Antipode ist Ian Bostridge als kommentierender Male Chorus. Schlacksig und androgyn verkörpert er mit seiner Kopf- und Brustregister perfekt abmischenden Stimme den moralisierenden Zweifler.

Auch der Female Chorus ist mit Susan Bullock ausgezeichnet besetzt, gelingt es ihrem spröden Sopran mit dem flackernden Vibrato doch mühelos, sich gegen die silberhellen Töne von Deborah York (Lucia) und gegen den mütterlich warmherzigen Mezzo von Anne-Marie Owens (Bianca) abzusetzen. Die Oper bleibt ein stimmlich transparentes Kammerspiel. Sarah Connollys Mezzo gibt Lucretia Würde und Ausstrahlung, jedoch fehlen mir etwas die hörbaren Schatten auf ihrer Seele.

Überragend präsentierte sich Ivor Bolton mit dem winzigen Bayerischen Staatsorchester. Die Partitur leuchtete ungemein durchsichtig, klang zerbrechlich, doch nie an der Grenze zur Auflösung. Hier wurde klar, wie laut ein gespannt leises Musizieren klingen kann.

Wohlwollen und Dankbarkeit beim Publikum für eine grandiose Produktion, der leider nur kurze Lebensdauer beschert ist. (tv)




Fotos: © Wilfried Hösl