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Fakten zur Aufführung 

GIULIO CESARE IN EGITTO
(Georg Friedrich Händel)
7. Juli 2006
(Premiere: 21.4.94)

Bayerische Staatsoper München
Münchner Opernfestspiele 2006

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Eine Legende tritt ab

Commissario Brunettis Mamma war natürlich auch wieder gekommen. Donna Leon schleicht regelmäßig durch die Säle der Münchner Staatsoper, meist steht gleichzeitig eine Oper von Georg Friedrich Händel auf dem Programmzettel. Vor 12 Jahren, so bekannte die Amerikanerin vor kurzem im SZ-Magazin, kam sie erstmals aus Venedig über die Alpen, um Händel zu erleben. Die Vorstellung von „Giulio Cesare“ in der Regie von Richard Jones mit Choreographien von Amir Hosseinpour und den Bühnenbildern von Nigel Lowery machte sie zur Parteigängerin Händels. Jetzt konnte Donna Leon mit dem allerletzten „Giulio Cesare“ noch einmal ihr Erweckungserlebnis begehen.

Diese Produktion hat Rezeptionsgeschichte geschrieben. Sie dokumentiert, wie sich Seh- und Hörgewohnheiten ändern können, sogar rasend schnell. Jahrzehntelang ging es vor allem darum, die eingetrocknete Schlacke von der Musik der Barockkomponisten zu schlagen, sie mit scharfen Akzenten, Zäsuren und Strichen wieder zu wirklicher Barockmusik zu machen. 1994 war es höchste Zeit endlich die Erneuerung der Bildsprache in Angriff zu nehmen. Peter Sellars, der mit Mozart im Hochhaus schockiert hatte, wagte in Brüssel einen „Giulio“, dem Ironie nicht mehr fremd war. Doch erst das englische Regieteam in München erhob Ironie, Slapstick und Quietschebuntheit zur Grundidee.

Das war zunächst ein Schock. Als sich der 15 Meter hohe Tyrannosaurus Rex, der im 1. Akt grinsend die Bühne beherrschte, am 21. April 1994 stumm zu neigen begann, kommentierten erboste Zwischenrufe das Geschehen. Doch selbst Kritiker des neuen Brit-Pop-Stils hätten kaum sagen können, was denn nun eigentlich falsch lief, wenn riesige Dinos, Haifische oder Heuschrecken zu Operhelden wurden. Eine kollektive Erinnerung, wie Barockoper denn nun auszusehen habe, wie sie es im Falle von Wagner, Verdi oder Mozart zu geben scheint, versagte. Auch deshalb wurde der Fall des Fleischfressers, der sinnbildlich für die bankrotte Ägypterherrschaft stehen kann, bereits in der Folgevorstellung von Zwischenapplaus begleitet.

In der Derniere gibt es keinen Zwischenapplaus, dafür reichlich spontane Lacher. Wie üblich in letzten Vorstellungen bauen die Sänger Gags ein. Eine Deutschlandfahne steckt im kopflosen Rumpf des Pompeo, der von einem affektierten Tolomeo in kirschfarbenem Anzug wie ein Spielzeug behandelt wird. Im 3. Akt hüpfen plötzlich zwei Balletttänzer im Deutschland- und Portugaltrikot zu einer Rachearie über die Bühne.

Ann Murray (Giulio) und Christopher Robson (Tolomeo) waren schon vor 12 Jahren dabei. Murray ist immer noch eine hervorragende Rollenbesetzung auch wenn man sich inzwischen an die Countertenöre in den Heldenrollen gewöhnt hat. Sie nimmt zwar viele Koloraturen zurück, kann aber immer noch mächtig aufdrehen, wenn es sein soll. Robson gibt dem Tolomeo hingegen eine dünne Fistelstimme, was absolut rollenadäquat ist. Sonia Prina (Cornelia) verfügt über einen profunden, doch etwas kühlen Alt. Die wahre Herzenswärme vermisse ich auch bei Susan Gritton (Cleopatra), trotz der großen Hingabe an die Schmerzensarien.

Ivor Bolton stand 1994 das erste Mal am Pult, keiner kannte ihn. 2006 feiert man ihn wie einen Caesaren. Dabei wirkt sein Dirigat im Gegensatz zur Regie leicht gestrig. Die heftigen Akzente, das ruppige Affektenbarock wurde zwischenzeitlich sogar von ihm selbst in anderen Produktion durch einen kantableres, subtileres Klangideal überwunden. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl