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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
3. März 2006
(Premiere: 26.2.06)

Bayerische Staatsoper München

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Game over and out

„Wann dröhnt er, der Vernichtungsschlag, mit dem die Welt zusammenkracht?“ Diese Frage stellt Wagners fliegender Holländer in seinem Auftrittsmonolog. An der Bayerischen Staatsoper wird sie zwei Stunden später von Senta mit „Jetzt“ beantwortet.

In Peter Konwitschnys fabelhafter Inszenierung wird kein Holländer erlöst, keine Frau geopfert und kein alter Seebär um einen Schatz betrogen. Senta, eine Art Brünhilde mit dem Mut der Verzweifelten, jagt die Welt, in der dies geschehen könnte, in die Luft. Was bleibt ist Dunkelheit, die durch ein aus Lautsprechern hervorknarzendes Orchesternachspiel ohne jeden Tristan-Klang nicht eben erträglicher wird. Peter Konwitschny brüskiert mit diesem Schock die Erwartungen der Wagnerianer, aber er löst doch ein, was Wagners Holländer ersehnt – das totale Ende als einzig möglichen Neuanfang. Nach Jahrhunderten zermürbender Suche nach einem „treuen Weib“ ist dieser Mann unfähig geworden, Treue zu erkennen. Ein von Konwitschny geschickter „gepries’ner Engel Gottes“ überreicht ihm zu Beginn eine weiße Blume als Symbol für die Reinheit Sentas. Doch wenn das lächerliche Gezeter Eriks für ihn Grund genug ist, diese profilierte Frau, die es gewesen wäre, zu verschmähen, dann muss das Ende der Geschichte erreicht sein – Game over and out.

Die Erwartungen des Holländers kann keine irdische Frau mehr erfüllen. Er betritt die heutige Welt schon als ein Relikt, das mit seiner Mannschaft einem Bild Rembrandts entstiegen scheint (Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker). Die modernen Zeiten, in denen sich brave Hausfrauen im Fitnessstudio, „Summ und Brumm du gutes Rädchen“ trällernd, auf Hometrainern abstrampeln, sie spucken ihn schnell wieder aus. Sich auf die Konventionen der Gegenwart einzulassen, dafür fehlt dem Holländer jegliche interkulturelle Kompetenz.

Juha Uusitalo ist ein beeindruckendes Schreckensbild des Holländers. Sein Portrait erreicht bereits mit dem Monolog an felsennacktem Strand eine selten erlebte Eindringlichkeit. Uusitalos Holländer fletscht die Zähne gegen seinen grausamen Gott, das Feuer, das hier lodert, es verbrennt ihn längst selbst. Durch sein ausgreifendes stimmliches Volumen, seine ausgezeichnete Wortdeklamation und die herben Ausdrucksmöglichkeiten ließ Uusitalo einen das Schicksal des Holländers auch in der Magengegend spüren. Dagegen ist Daland weder ekelhafter Töchterschacherer noch geldgieriger Alter. Matti Salminen ist die wunderbare Verkörperung eines aufgeweckten Seemanns, der seine Chance wittert, ohne viele Fragen zu stellen. Salminen singt Daland entsprechend beweglich, fast salopp, dabei stimmlich grundsolide. Ihr Staatsoperndebüt gab Anja Kampe als Senta. Der Jubel des Publikums galt ihrer durchschlagenden Stimme, ihrem höhensicheren dramatisch voluminösen Sopran, der Senta nicht als Fräuleinwunder, sondern als selbstbewusste Frau präsentierte. Stephen Gould als Erik, Heike Grötzinger als Mary und Kevin Conners als Steuermann unterstrichen das hohe Niveau der Aufführung.

Adam Fischer und das Bayerische Staatsorchester irritierten in der Ouvertüre durch eine etwas inhomogene, unstete Interpretation, die kaum den Sog entwickeln wollte, der sich dann im 1. Akt zum Glück schnell einstellte. In der Abstimmung zwischen Bühne und Graben könnte noch an Details gefeilt werden, dann wird der herausragende Chor noch freier singen können.

Das Publikum feierte die Produktion ausgiebig. Die vom Ver.di-Streik abgezogenen Bühnenarbeiter waren längst am Abbauen, als der Vorhang sich wieder und wieder für die Sänger und den Dirigenten öffnen musste. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl