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Fakten zur Aufführung 

DOKTOR FAUST
(Ferruccio Busoni)
3. Juli 2008
(Premiere: 28. Juni 2008)

Münchner Opernfestspiele


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Durchschlagskräftiger Faust

Was unterscheidet Busonis 1925 uraufgeführten Faust von den zahlreichen anderen Vertonungen des Stoffes? Zunächst einmal: Kein Goethe, kein Gretchen, kein Schluss. Busoni bezieht sich in seiner unvollendeten Oper auf die alte deutsche Volkssage von Doktor Faustus, die als Puppenspiel überliefert ist.

Somit tauchen auch in Nicolas Briegers Inszenierungen erschreckend lebensechte Puppen auf, die eifrig mitspielen und als teuflische Doppelgänger von Faust die Massen verzaubern oder ihn selbst in den Wahnsinn treiben. Allerdings singen sie nicht, und es kommt auch keiner der anderen Solisten an die großartige Leistung von Wolfgang Koch in seiner Münchner Debüt-Rolle des Faust heran.

Wenn Faust im engen Künstleratelier „á la Bohème“ (Bühne: Hermann Feuchter) unter eisigem Glasdach nach beeindruckender Geisterbeschwörung mit nackten vergoldeten Männern aus dem Schnürboden seinen Mephisto selbst geboren hat, weicht John Daszak ebenfalls als Doppelgänger Fausts diesem nicht mehr von der Seite. Stimmlich reicht er allerdings mit gepresster Höhe nicht an ihn heran.

Der grausame Mord am Soldaten in der Kirche mit Hilfe von spitzen Orgelpfeifen verarbeitet szenisch die blutigen Weltkriegserlebnisse Busonis, und entsprechend düster und verzweifelt geht es weiter in der Musik und auf der Bühne bis zum gesprochenen Schlusswort.

Nur kurz flackert die Szene bei der Hochzeit des Herzogs von Parma bunt auf, wenn sich der Staatsopernchor in pastellenen Kleidern (Kostüme: Margit Koppendorfer) versammelt und Catherine Naglestad als einzige weibliche Rolle mit üppig strömendem Sopran ihre Liebe zu Faust bekennt und ihm ins Verderben folgt.

Der junge tschechische Dirigent Tomáš Netopil führt das Bayerische Staatsorchester sicher und flexibel durch die sperrige Partitur. Die Ensembles und Chorszenen gelingen überzeugend, und die Textverständlichkeit der Sänger macht die Übertitel fast überflüssig.

Ein bisschen anstrengen muss sich das Publikum allerdings schon, um wirklich etwas vom Abend zu haben. Ein totes Baby an der Nabelschnur und das Scheitern einer Existenz auf der Bühne bieten nicht viel Raum für Genießen und Schwelgen. Man tut sich schwer, nach dem Motto: „Ein bisserl leichtere Kost wär’ doch netter, gell?“ Daher fällt der Applaus auch nicht allzu frenetisch aus. Wolfgang Koch erhält verdient seine Bravos, doch hätte er statt des Faust seine Lieblingsrolle Hans Sachs gesungen, die Herrschaften wären sicherlich noch etwas länger im Saal geblieben um ihn zu feiern.

Ingrid Franz