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Fakten zur Aufführung 

LA CALISTO
(Francesco Cavalli)
17. Mai 2005
(Premiere: 9.5.05)

Bayerische Staatsoper

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Die Götter müssen verrückt sein

Francesco Cavallis Oper „La Calisto“ hat in den letzten zehn Jahren seit Herbert Wernickes Brüssler Inszenierung eine kleine Karriere gemacht. Mittlerweile ist das schlüpfrige Stück, das wohl Zeiten wie die unseren braucht, in denen Prüderie nicht hoch im Kurs steht, auch an der Bayerischen Staatoper angekommen. Mit Calisto hält eine wichtige Neuerung Einzug, ein Blick in Richtung Bühne verrät es. Denn die langen Hälse von zwei Chittaronen, einer Violone und die geschwungene Schönheit einer Barock-Harfe offenbaren, dass erstmals Spieler historischer Instrumente im Graben Platz genommen haben.

Ein Klangrausch ist damit in Deutschlands größtem Opernhaus natürlich nicht zu erwarten, aber die engagierte und überlegene Leitung von Ivor Bolton vermag ein diffiziles Geflecht von perlenden Cembalokaskaden und kess aufspielenden Flöten, Zinken und Barockstreichern zu dirigieren, das die fehlende Lautstärke nur selten vermisslich macht.

David Alden hat sich mit Calisto einmal mehr vorgenommen, Barockoper als Popkultur zu lesen. Ein extrem buntes, fast quietschiges Aussehen verpasst er der Oper von 1651, was dieser abstrusen Götterkomödie angemessen ist. Im Bühnenbild von Paul Steinberg finden sich bekannte Ideen; die absenkbare Decke mit ihren halbkugelförmigen Leuchten glauben wir in Variation schon einmal in Aldens Münchner Götterdämmerung gesehen zu haben. Die links von der Bühne mächtig bestehende Leuchtreklame, die auf das Hotel (?), die Bar (?), den Unort (?) L’Empireo hinweist, erinnert an Händels „Rodelinda“ am gleichen Haus. Grandios trumpft Buki Shiff mit einer Brigade grotesker und pompöser Kostüme auf, an denen man sich weiden kann, wenn lange rezitativische Passagen und der Blick zur Übertitelung zu ermüden drohen.

Denn während die Ausstattung Geschwindigkeit ankündigt, bewegt sich Alden oft in gemächlichem Tempo. Er lässt den echten Gefühlen Endimiones und Dianas (süffig gesungen von Lawrence Zazzo und Monica Bacelli) Raum. Doch die Überspanntheit der komischen Figuren und das Farbspiel der Bühne lassen Authentisches wiederum komisch, fast dekadent wirken. Welche ernste Gestalt soll gegen die Power bestehen, die vom quirlig, tierischen Satirino des umwerfenden Dominique Visse, der Travestie von Guy de Mey als Linfea oder von Kobie van Rensburg als barockem Stentortenor und misslaunigem Gott Pan ausgeht?

Zum Glück hat man mit Sally Matthews eine Calisto verpflichtet, die nicht nur schön singen will. Matthews Sopran wirkt wie eine Charakterstimme, trotz zart entfalteter Höhnen und Legatissimo. Sie kann auch schnauben und knattern, womit sie Calisto im Sinne der Regie zwischen ernster und komischer Figur anlegt. Bleiben noch der Jupiter des soliden Umberto Chiummo, der sich im Falsett leider von Diana doubeln lässt, seine betrogene Frau Juno, mit deren furiengleichen Koloraturen Veronique Gens keine Probleme hat und der knorrige, starke Merkur von Martin Gantner. Die sehr gute Ensembleleistung riss das aufmerksame, doch etwas humorlose Publikum zu Begeisterungstürmen hin. (tv)


Fotos: © Wilfried Hösl