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Fakten zur Aufführung 

DER BARBIER VON SEVILLA
(Gioacchino Rossini)
6. Januar 2006
(Premiere: 18.12.2006)

Staatstheater am Gärtnerplatz
(München)

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Nur noch mit Fliegenpatsche

„Wenn es dir nicht gefällt, dann sprühst du eben Autan.“ Solche süffisant wohlmeinenden Ratschläge werden zurzeit wohl vielen Besuchern von Rossinis „Barbier von Sevilla“ am Münchner Gärtnerplatztheater mitgegeben. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass sich da allerhand Geschmeiß um eine gewaltige Engelstrompete tummelt. Die Produktion von Claus Guth (Regie) und Christian Schmidt (Bühne und Kostüme) lief bereits am Theater Basel und erlebte nun in München Premiere. Es hat einiges für sich, den Barbier in der Insektenwelt spielen zu lassen. Da ergeben sich witzige und sinnige Anspielungen. Rosina als Schmetterling, der sich in seiner Auftrittsarie aus den letzten Resten seiner Verpuppung schält – das zeigt, wie sich die Jugend emanzipiert, „häutet“ und befreit. Ein solches Wesen ist für Dr. Bartolo, eine große fette Spinne, nicht mehr zu beherrschen, mag er es auch in gefährliche Fäden verschlingen. Bartolos Widersacher Almaviva macht Guth zu einer etwas exaltierten Hummel, Figaro zu einer muskelbepackten Fleischfliege mit blonder Elvislocke.

Am Ende des 1. Aktes wird das Ungeziefer in einem barbarischen Akt von einem Deus ex machina, einem überdimensionalen Giftspray gemeuchelt. Der 2. Akt, der sich im Menschengewand vor einer weißen Wand abspielt, entfaltet kaum den Charme des 1. Aktes. Eher wirkt das Ganze wie eine unfertige halbszenische Lösung. Hier wäre nun Gelegenheit gewesen, auch die anderen Seiten der Figuren zu zeigen, die Tragik Bartolos, die Arroganz Almavivas, die Unbeholfenheit Figaros, die Undankbarkeit Rosinas. Doch davon will Guth nichts wissen. Der 2. Akt vertritt sich um die Aussage, dass sich Mensch und Insekt doch allzu ähnlich sind.

Die Sänger sind ständig in Bewegung, hier will Spielen genau erlernt sein. Schon deshalb war man dankbar, dass Barbara Schmidt-Gaden trotz starker Erkältung die Rosina gab und sich singend durch Talia Or am Bühnenrand vertreten ließ. Auch Gary Martin sprang als Figaro trotz Meniskusriss über die Bühne. Die Aktivität, die den Sängern abverlangt wird, geht zu Lasten der Stimmpräsenz. Trotz winziger Besetzung kamen die Sänger schlecht gegen das Orchester an. Sie verhedderten sich bisweilen im holpernden Deutsch der Übersetzung und entfalteten selten stimmliche Bravour. Einzig die Marzelline von Cornelia Horak überzeugte in ihrer schmachtenden Arie im 2. Akt vollends. Talia Or war eine solide Einspringerin mit schönem dunklem Trimbre. Der Almaviva von Daniel Behle duckte sich unter den Koloraturen geradezu weg. Technisch gelang dem lyrischen Tenor das Laufwerk redlich und tongenau, doch verdämmerte es im dauernden Pianissimo.

An der Grenze zur Heiserkeit hangelte sich Claudius Muth als Bartolo durch die Oper. Von einem dickbäuchigen Bassbuffo konnte man nur träumen. Der Figaro von Gary Martin war gut hörbar, doch auch seine Interpretation ließ eine detailgenauere Auseinandersetzung mit der Partei vermissen. So wurde der Abend musikalisch zu einem zweifelhaften Erlebnis, bei dem die kleine Orchesterbesetzung unter Andreas Puhani immer wieder herbe Unsauberkeiten riskierte. Es ist eine große Aufgabe, die Komödie bei Laune und auf einem hohen Tempo zu halten.

Wenn es den Musikern aber gelingt, sich neben der Schauspielerei mehr aufs Singen zu konzentrieren, dann wird der Applaus des Publikums sicher nicht nur stark und freundlich, sondern vielleicht bald auch euphorisch ausfallen. (tv)


Fotos: © Ida Zenna