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Fakten zur Aufführung 

ARIADNE AUF NAXOS
(Richard Strauss)
10. Dezember 2003


Staatstheater am Gärtnerplatz (München)



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Ariadne im Belaria-Kino

Es gibt Opern, deren inhaltliche - nicht musikalische - Gegenwart einer Überprüfung zwar nicht bedarf, sie aber doch herausfordert: Sie löcken wider den Stachel der Normen oder allgemeiner Befindlichkeiten, verlangen Interpretation, bisweilen auch Umdeutung - oft sind es mythische Stoffe - ... und solche, die sich derartiges zwar gefallen lassen, aber auch ganz gut ohne das Regietheater auskommen können; selbst als Kostümfest sind sie nie zopfig. Straussens Ariadne gehört dazu. Insofern spielt es eigentlich gar keine Rolle, ob eine Aufführung, die sich dieses Stückes annimmt, in modernem Gewand daherkommt oder nicht - der Kern wird ja vom Interpretator eh nicht berührt.

So mag man sich zwar über die Aufführungsästhetik mokieren, die die seit 1993 am Münchener Staatstheater am Gärtnerplatz laufende Inszenierung durchaus wohlig perpetuiert, die Aufführung selbst lässt sich rundweg genießen. Ja ich möchte sagen, wenn man sie, wie ich letzten Dienstag, in Begleitung eines Opernneulings besucht, kann einem fast nichts Besseres geschehen: Hier wirkte die Inszenierung geradezu als "Einstiegsdroge". Was kann jemandem, dem leidenschaftlich am Erhalt dieser Kunstform auch in nachwachsenden Generationen gelegen ist, Besseres widerfahren?

Selbstverständlich bedarf gerade eine ungebrochen auf den Sinn des Librettos und der Geschichte, die es erzählt, konzentrierte Aufführung ganz besonders des Engagements und Könnens der Musiker. Beidem ließen die Mitwirkenden dieser 50. Aufführung rundweg lustvollen Lauf. Da nimmt es auch nichts, wenn das bisweilen etwas pappig nach Harmonium (das freilich auch eingesetzt ist) klingende Orchester in mir die Erinnerung an Historische Aufnahmen auf Vinyl wachrief; das dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil in der Akustik dieses sehr gemütlichen Theaters begründet sein. Die kammermusikalische Struktur tut ein Übriges hinzu. Doch wurde unter der Stabführung Ekkehard Klemms zwar vielleicht ein wenig zu moderat im Tempo, dennoch überaus sauber gespielt. Vielleicht hielt sich das Blech etwas sehr zurück.

Elisabett Urbanics Bühne geht von allem Anfang an auf den Rosenkavalier, die Inszenierung hat in jeder Minute etwas von Ausstattungsoper, ein sogenannter kritischer Impuls fehlt völlig und wäre wahrscheinlich auch fehl am Platz; verglichen mit Reinhild Hoffmanns derzeit in Berlin gespielter Ariadne ist Hellmuth Matiaseks Münchener Inszenierung ganz geborgen in der Alten Zeit; interessanterweise sind die Konflikte es nicht; hie wie da bleiben sie - ganz unabhängig vom Regiestil - virulent: Es scheint gerade Hoffmansthal/Straussens Ariadne nicht zu veralten.

Berührend, wenn nicht begeisternd, Ann-Katrin Naidus Komponist, wenn auch ein wenig zu schön für eine Hosenrolle, so dass der kurz-innige Flirt mit Zerbinetta (Simone Schneider) etwas intensiv Homoerotisches verströmt, wie man ja ohnehin ständig an Octavian erinnert ist, nur dass ihm als "Liebesspielerin" nicht ein geschütztes, pubertierendes Bürgermädel, sondern eine kokette Erotomanin entgegentritt, die das nicht gänzlich ohne finanzielle Hinterabsichten ist. Simone Schneider lässt das in ihrer großen Partie "Als ein Gott kam jeder gegangen" auf die witzigste Weise mehr als klarwerden. Überhaupt liefen sowohl sie als auch Nathalie Boissys Ariadne erst im zweiten Teil des Stücks zu großer Form auf, ohne dass sie dabei die übrigen Sänger an die Wand gedrückt hätten. Richard Salter gibt einen recht verbürgerten Komponisten, gut in seine Stimme eingepolstert, doch Michael Gannz' Tanzmeister schwächelt wie die Männlichkeit dieser gezierten Person, das stimmt dann schon. Schade nur, dass die drei Nymphen als mythische Opern-Karikaturen inszeniert sind. Dessen hätte es aufgrund der gespielten Differenz zur Buffo-Operette wirklich nicht bedurft.

Und das Publilkum? Seltsam, ich kam mir ein wenig vor wie im Wiener Belario-Kino, "wo's die uralten Film spüü'n" (Heller): Wie sich dort die nostalgischen, greisen Frauen treffen, so stand hier in der Pause ein mittelständiges Geldbürgertum herum, das eine Tradition pflegt, die es nicht hat. Immerhin hatten sich für den Anschluss an die Moderne hie und da paar Musikstudentinnen hintupfen lassen, so dass ich spürte, es gehe schon irgendwie weiter. (anh)


Foto: © Johannes Seyerlein