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Fakten zur Aufführung 

WEST SIDE STORY
(Leonard Bernstein)
30. Oktober 2009 (Premiere)

Theater Meiningen
Südthüringisches Staatstheater


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Make peace, not war!

Zoff ist von Anfang an, noch bevor der erste Ton erklingt: von links stürmen die Sharks den Saal, rechts machen sich die Jets lautstark und krakeelend bemerkbar. Mittendrin das Publikum, mittendrin in einem unerklärten Bandenkrieg, der später seine Opfer fordert! Am Anfang geht das noch vergleichsweise harmlos ab, eben „nur“ mit Faustschlägen. Und der bemitleidenswerte Sozialarbeiter ermuntert die gegnerischen Jugend-Gangs, es doch mal mit Ringelpietz und Anfassen zu versuchen. Aber mit derlei Maßnahmen ist in Leonard Bernsteins West Side Story wahrlich nicht viel zu erreichen.

Kurt Josef Schildknechts Inszenierung lässt keinen Zweifel daran, dass Rivalitäten unter Teenies und Twens ein sehr heutiges, aktuelles Problem sind, betrachtet den Konflikt dennoch und quasi stellvertretend aus dem Blickwinkel jener Zeit in Amerika, die Bernstein und seine Mitstreiter Arthur Laurents und Stephen Sondheim bei dieser Romeo und Julia-Geschichte ganz klar vor Augen hatten. Das ist authentisch vom ersten Augenblick an, da muss man gar nichts „verbiegen“.

Christian Rinke stellt ein multifunktionales stählernes Gerüst auf die Bühne: hoch und breit, von geringer Tiefe und immer wieder anpassungsfähig weil im Nu verschiebbar. Dies die Kulisse für Doc’s Drugstore ebenso wie für das Zuhause von Maria, für ihren Arbeitsplatz (die Schneiderei) und all die anderen Orte – auch den des schrecklichen und affektbedingten Mordes. Ein perfektes Ambiente, in dem ganz viel Raum bleibt für Bewegung. Und davon bietet Schildknechts Inszenierung nachgerade überschwänglich viel.

Meiningens West Side Story wuchert mit den Pfunden, die sich aus Synergieeffekten ergeben: vor allem profitiert die Inszenierung von der schier unglaublichen Virtuosität des Balletts des Landestheaters Eisenach. Da stimmt jedes Detail, da laufen dem Betrachter die Augen über. Immer und immer wieder kristallisieren sich starke Bilder heraus, Aggressivität wird geradezu körperlich erfahrbar - auch die Sehnsucht danach, dass endlich mal Schluss ist mit dumpfer Gewalt, die doch nichts anderes ist als Ausdruck von Angst. „There is a place for us...“ glaubt Maria. Und zu ihrem Song fährt eine Weltkugel vom Bühnenboden herunter. Spontane Assoziation: „Make peace, not war.“ Weshalb nicht? Das ist eine in ihrem Kern noch längst nicht abgegoltene Vision, ganz im Gegenteil. Umso emphatischer wirkt sie hier – bevor es mit den Jets und den Sharks weiter geht wie zuvor. Andris Plucis, Chef des Eisenacher Balletts, zeigt mit dieser Inszenierung eine choreografische Meisterleistung, getragen vom Ballett und von Mitgliedern des Meininger Schauspiel-Ensembles.

Das Bühnengeschehen findet also eine rundherum perfekte Umsetzung. Und auf ebenso perfektem Niveau bewegt sich die Musik. Elisa Gogou dirigiert die Mitglieder der Meininger Hofkapelle und der Landeskapelle Eisenach. Sie sorgt für enormen Drive, mobilisiert nie versiegende Energien überall dort, wo Explosivität und Bedrohlichkeit heraufziehen, gestaltet traumhaft schöne Melodien und breitet Inseln der emotionalen Seligkeit aus. Das ist Maßstab setzend, was da aus dem Orchestergraben klingt! Und findet seine Entsprechung im gesamten Ensemble all der vielen Solisten. Die „Stars“ unter ihnen: Maria Rosendorfsky als Maria, Erwin Belakowitsch als Tony, Marc Boadu als Bernardo, Ansgar Schäfer als Riff und Carla Seder als Marias Freundin Anita. Da bleiben keine Wünsche offen, auch nicht bei irgend einer der vielen kleineren Rollen.

Meiningens Premierenpublikum lässt sich unmittelbar anstecken von dem Elan, den diese Geschichte vom Zusammentreffen zweier Welten entfaltet und zeigt sich restlos begeistert. Großer Beifall bereits zur Pause, überschwängliche Ovationen dann am Schluss mit seinem offenen Ende: wie wird’s weitergehen?

Christoph Schulte im Walde

 






 
Fotos: © Tobias Kromke