Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
27. Juni 2008 (Premiere)

Theater Meiningen


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Keine Freiheit, dialektisch

Der Projektions-Vorhang mit dem gespenstischen Bild eines Gefangenen-Lagers; eine tiefschwarze Wand mit Sicht-Luken und Türen; Leonore durchschreitet den Weg ins Dunkel - erlebt den Horror menschlicher Ambivalenzen, den brutalen zwischenmenschlichen Kampf, Egoismus und Heuchelei in einem hermetischen Raum. Christine Mielitz zeigt ein beklemmendes Bild permanenter Unfreiheit, lässt den Ideen der Aufklärung keine Chance. Doch: die Demonstration der Abwesenheit von Freiheit ist ein dialektischer Appell zur Wachsamkeit gegenüber den Mechanismen der Unfreiheit - individuell und gesellschaftlich! Mit körperlicher Aggressivität, mit latentem Belauern, mit verzweifelten Gesten der Suche nach vertrauensvoller Nähe entstehen Bilder von bewegender Emotionalität, Ikonen der Hilflosigkeit.

Dieses atemraubende Spiel um die „selbstverschuldete Un-Freiheit“ (nach Kant) findet in den großartig agierenden Solisten des Meininger Theaters die hochmotivierten Interpreten: Dominik Nekel ist als Rocco der Prototyp des egoistisch-angepassten Opportunisten, stimmlich mit wandlungsfähigem Bass-Bariton von stupender Ausdruckskraft. Daniela Dott beeindruckt als verletzlich-instrumentalisierte Marzelline mit eindrucksvoller Intensität in allen Stimmlagen. Stan Meus gibt dem Jacquino leidenschaftliche Aggressivität. Erdem Baydar ist mit kernigem Timbre ein brutal-kalkulierender Pizarro. Und mit Dae-Hee Shin ist als Minister der Typ des politischen Heuchlers par excellence zu erleben. Hans-Georg Priese gibt dem gefangenen – und nur scheinbar „befreiten“ - Florestan heldentenorale Kraft, überzeugt mit sicheren Höhen und enormem Volumen. Die Leonore Elizabeth Hagedorns besticht durch dramatischen Klang, wechselt die Register hoch ausdrucksvoll, vermittelt über sichere Intonation die ambivalente Gefühlswelt einer Frau im Kampf mit kollektiven Widerständen. Der Chor des Meininger Theaters (Leitung: Sierd Quarre) agiert inszenierungsgemäß statuarisch, beeindruckt durch kollektiv-klangsicheren Gesang.

Der so erfahrene Hans Urbanek leitet die sehr konzentriert aufspielende Meininger Hofkapelle zu einer variationsreichen Beethoven-Interpretation – Pathos vermeidend, dafür mit viel Engagement für die musikalische Nuancierung der Charaktere – und nahezu perfekt im kommunikativen Zusammenspiel der Instrumentengruppen (auch der oft so problematischen Blech-Bläser!).

Helge Ullmanns schwarze Bühnen-Konstruktion vermittelt mit hermetischer Struktur den permanenten Eindruck permanenter Gewalt, schafft die optisch-kommunikativen Räume für das intensiv-reflektierende Konzept und das so irritierende Bühnenhandeln.

Im traditionsträchtigen Meininger Theater folgt ein gebannt beobachtendes Publikum dem Geschehen mit großer Spannung. Das Zusammentreffen von packendem Ablauf, erkennbarem Bedeutungs-Zusammenhang, nachvollziehbarem Spiel, überzeugend interpretierendem Gesang und einer Musik, die alles dies hörbar steigert, führt zu begeistertem Schlussapplaus – langanhaltend, rhythmisch klatschend und in standing ovations endend. Die „Meininger“ haben einen „Renner“ für die kommende Spielzeit, werden Zielort für Musiktheater-Freunde von Erfurt bis Würzburg! (frs)