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Fakten zur Aufführung 

DAS PARADIES UND DIE PERI
(Robert Schumann)
13. März 2009 (Premiere)

Nationaltheater Mannheim


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Paradiesisches Mysterienspiel

Wie sehr strebt der Mensch nach Vollendung, nach Transzendenz; den Niederungen des Erdendaseins entfliehen und zu einem höheren Wesen zu mutieren, scheint ewiger Traum. Doch irreale Sehnsüchte bleiben unerfüllbar; zwar mag es verlockend sein, den Aufstieg per Himmelsleiter zu wagen, aber das Paradies wieder zu erringen, aus dem ein zorniger Gott die Irdischen vertrieben hat, gelingt allenfalls den Geistwesen. Den Menschen bleibt der Garten Eden verwehrt. In der orientalischen Sage trifft die Verbannung sogar „anmutige Wesen der Luft“, sprich: eine Peri. Ein Schicksal brachte sie um ihr ätherisches Glück, weshalb Opfergaben angesagt sind, damit der eherne Riegel zurückspränge und das Tor des unendlichen Glücks sich öffne. Viele Prüfungen sind zu bestehen und erst ein irdisch’ Werk zu verrichten. Und so weiter.

Na, ja. Ein hoffnungsloser Fall von dichterischem Libretto? Robert Schumann hatte sich mit seinem weltlichen Oratorium Das Paradies und die Peri für Singstimmen, Chor und Orchester auf Neuland begeben und – wahrscheinlich – ein dunkles Ahnen verspürt, dass dieses Stück vielleicht doch auch szenisch umzusetzen wäre. Im 19. Jahrhundert gehörte das Werk zu den meist aufgeführten Oratorien, im 20. Jahrhundert geriet es in Vergessenheit; in seltenen Fällen wurde es in den letzten 20 Jahren wieder ins Hörer-Gedächtnis zurückgerufen. Aber in Mannheim wird die paradiesische Musik jetzt zum szenischen Mysterienspiel für den Opernspielplan. Joachim Schlömer, der Choreograf und Regisseur sowie Ideengeber wagemutiger Projekte, hat das Werk als suggestive Frage nach dem existenziellen Warum inszeniert. Eine Jakobs- oder Himmelsleiter ist zentrales, überdimensionales Bühnenmittel, an das sich Engel und Menschen, mal grazil-artistisch (brillant: Inés Hernandez als Flügelgeschöpf), mal vergeblich heranwagen. Dieses Stilmittel (Jens Kilian entwarf die kongeniale Bühne) hat große Prägnanz und assoziative Vielschichtigkeit zugleich.

Im Bühnenhalbrund – der Chor nimmt dann außerhalb dieser Manege Aufstellung – sind die Figuren einander zugeordnet, aber auch ausgeliefert. Ein Quaderkasten signalisiert inneres und äußeres Gefangensein, während ein Flügel auf des Komponisten (vergebliches) Bemühen verweist, eine handhabbare Oper zu entwerfen. Die statisch geführten Figuren erhalten durch raffinierte Projektionen noch ein Bildstreifen-Negativ zugeordnet, schließlich befinden wir uns im Multimedia-Zeitalter, gleichzeitig werden durch tänzerische Doppelungen seelische Dimensionen ausgelotet. Blutsymbole sprechen beredt die Sprache von Gewalt und Opfermentalität. Das alles fügt sich zu einer szenischen Eindringlichkeit, wie man sie selten erlebt, auch weil die immanenten Erlösungsphantasien weniger aufdringlich wirken als im Text.

Großes vollbrachten am Premierenabend das Nationaltheaterorchester unter GMD Friedemann Layer und der von Tilman Michael einstudierte Chor, weil die Effekte aus dem inneren Gehalt der Musik heraus entstanden. Biegsam und plastisch, fein austariert und beweglich: musikalische Klangrede auf hohem Niveau. Auch die Sängerdarsteller verdienten sich den großen Beifall redlich, denn Anne-Theresa Albrecht (Mezzo), Maximilian Schmitt (Tenor), Katharina Göres (Sopran) und Radu Cojocariu (Bariton) lieferten rundum überzeugende Partien ab. Einzig die Titelpartie war mit Eteri Gvazava suboptimal besetzt. Die frühere Gewinnerin des Bertelsmann-Gesangswettbewerbs, womit sie in einer Reihe etwa mit Nathalie Stutzmann und Vesselina Kasarova steht, sang deutlich unter ihren Möglichkeiten, überzeugte allerdings im spätbiedermeierlichen Gehrock durch anrührenden Ausstrahlung.

In Mannheim wurde eine für den Konzertsaal entworfene Musik interessant und dinglich veropert. Zyniker allerdings könnten auch die These vertreten, dass die aufwändige Fürsprache in Sachen Bühnentauglichkeit gleichzeitig ein Plädoyer für die konzertante Aufführung des Oratoriums Das Paradies und die Peri in sich birgt.

Eckhard Britsch

 










 
Fotos: Hans Jörg Michel