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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowsky)
12. Februar 2011 (Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

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Mit dem Signum von Wahrhaftigkeit

„Ich halte Ausschau nach einem intimen, aber kraftvollen Drama, das aufgebaut ist aus dem Konflikt von Umständen, den ich selbst erfahren und gesehen habe, einen Konflikt, der mich wirklich berührt“, schreibt Peter Tschaikowski über die Wahl des Stoffes zu seiner Oper Eugen Onegin. Am Nationaltheater Mannheim erlebt nun dieser sattsam bekannte Repertoire-Renner eine ausgezeichnete Sichtung, die mit Klischee-Bildern aufräumt und eine hohe Schule der Empfindsamkeit sowohl musikalisch als auch in der Zeichnung der Personen vorstellt. Regula Gerber, Generalintendantin seit der Spielzeit 2005/2006 am traditionsreichen Haus, profiliert sich in den letzten Jahren zunehmend auch als Opern-Regisseurin, wobei sie gebrochene Frauenfiguren (unter anderem Jenufa und Turandot) bevorzugt.

In Mannheim wird Eugen Onegin zuerst einmal optisch entrümpelt. Kein abgewirtschaftetes Landgut mit entsprechenden Chargen, vielmehr kühle Räume über geometrisch gestaffelte Wandöffnungen ohne jedes Ornament oder Accessoire. Bühnenbildnerin Sandra Meurer hat hier mit der ihr eigenen Bühnenästhetik wieder durch Reduktion mehr erreicht: Sie schafft jene Freizonen, in denen Regula Gerber das Innenleben der Figuren freilegen und auf ihren dann unverstellten, wahren Kern zurückführen kann. Gezeigt werden das seelische Zerbrechen wegen der Unerreichbarkeit der Liebe; der Zwiespalt zwischen Treuepflicht und neu aufgeflammter Zuwendung einer im Grunde unreifen Tatjana; die Wandlung Onegins von einem arroganten Zyniker zum schmachtenden Egozentriker, der selbst in der vermeintlichen Ehrlichkeit seiner Gefühle nur an sich selbst denkt. Das ist ebenso fein wie tiefgründig gezeichnet und gibt der Personenführung das Signum von Wahrhaftigkeit. Die Szenen mit „Volk“ erhalten durch das Mittel der slow motion ironische Brechung, ohne alle vordergründigen Effekte. Außerordentlich suggestiv wirkt die Briefszene, wenn sich ein grauer Bühnenvorhang Stück um Stück mit Schrift füllt und damit Tatjanas inneres Ringen sichtbar macht.

Mit Dan Ettinger steht ein charismatischer Dirigent am Pult des Nationaltheaterorchesters, der gleich in der Ouvertüre deutlich macht, wie viel an delikatem Innenleben er der Partitur entlocken will und wie sehr er der Handlung dramatische Musikakzente beigeben wird. Im pulsierendem Strom der Musik bleiben am Premierenabend keine Wünsche unerfüllt, denn die Krisenhaftigkeit der Emotionen wird konsequent im Klang gespiegelt. Tadellos das – junge – Solistenensemble in Darstellung und Gesang. Sie „sind“ die Menschen, die sie verkörpern sollen. Ira Bertman mit hoch aufschwingendem, jugendlich-dramatischem Sopran, der alle emotionalen Facetten offenbart; Maximilian Schmitt als Dichter Lenski, den er mit lyrischem Tenor in differenzierten Färbungen gestaltet; Lars Møller mit rundem, nuanciertem Bariton in der Titelpartie, die er zwischen eitler Lässigkeit und intensiver Verzweiflung auslebt. Prächtig der frische Bass von Pavel Shmulevich als Fürst Gremin, vital führt Niina Keitel ihren Mezzo als Olga; Heike Wessels als Gutsbesitzerin Larina und Emma Sarkisyan als Vertraute Amme Filipjewna typisieren individual. – Zu großer Form fand auch der Chor, einstudiert von Tilman Michael.

In den großen Beifall mischten sich einige eher konventionell anmutende Buhrufe für die inszenierende Generalintendantin.

Eckhard Britsch

 









 Fotos: © Hans Jörg Michel