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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
21. Mai 2009 (Premiere)

Nationaltheater Mannheim


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Dunkle Obsessionen

Eine seltsam verstörende Sicht auf Verdis Oper Macbeth erlebte jetzt am Mannheimer Nationaltheater eine heftig umstrittene Premiere, bei der am Ende die Buh-Rufe für das Inszenierungsteam um Hausherrin Regula Gerber die zustimmenden Geräusche deutlich übertönten. Kam das Publikum mit Regula Gerbers psychologischer Fundierung nicht zurecht, störte es sich an der Statik der Szene, die gerade dadurch den Fokus so genau auf die Figuren lenkte? Die Inszenierung zeigt den Schrecken, der aus den dunklen Weissagungen der Hexen entsteht, die im horizontalen Bühnenausschnitt im Hintergrund ihr bedrohliches Potenzial freisetzen. Das krude Grauen wird durch die blutverschmierte, in Zellophan verpackte Kindsleiche noch potenziert, der Blutrausch von Macbeth transformiert sich in sexuelle Obsession. Einmal mit dem Töten begonnen, ist kein Ende absehbar. Eine zeitlose Metapher für soviel an Unheil und Bösem, die unsere Welt immer wieder aus den Angeln der Humanität reißen.

Sandra Meurer hat für die sensible, gleichwohl mit harten Elementen agierende Regie-Zeichnung eine kühle Bühnenbild-Ästhetik bereit gestellt, die aus der Geometrie heraus und über eine hinreißende Lichtführung (Bernhard Häusermann) imaginative Räume schafft. Wunderbar in der Wirkung während der ersten beiden Akte, weniger glückhaft im zweiten Teil, wenn die Drehbühne seitlich plötzlich einen eher ablenkend-verschachtelten Raum zeigt. Die Kostüme (Sabine Blickenstorfer) changieren von der beigen Unterwäsche der Hexen, die dann in Soldatenmäntel schlüpfen, bis hin zum Glitzer-Look aus den 20er Jahren, mit dem sich die Frauen zum Fest herausputzen: Das wiederum geht voll daneben, denn niemand ist frei, hingegen sind alle verstört aus der Erkenntnis heraus, dass die exzessive Machtlüsternheit weder Volk noch Hofschranzen irgendetwas Gutes bringen wird.

Musikalisch hebt Premierendirigent Alexander Kalajdzic mit dem Nationaltheaterorchester und dem Nationaltheaterchor einen stringenten Verdi aus dem Graben: Gewaltsam bis zur Explosion und dennoch immer hervorragend ausbalanciert und austariert mit den Sänger-Darstellern. Tolles Blech, sensible Holzbläser, immerfort präsente Streicher stehen ihm dafür zu Verfügung. Und ein Chor (Tilman Michael), der inszenatorische Bewegungsabläufe mit musikalischen Anforderungen ausgezeichnet vereint. Jaco Venter jagt den Macbeth mit rau grundiertem Heldenbariton und er zeigt ihn als einen aus dem Innersten Getriebenen. Die banale Version, dass diese Figur von der Lady beherrscht wird, versagt sich die Regisseurin. Vielmehr tauchen beide als kongruente Muster auf, weil sie sich gegenseitig bedingen. Galina Shesterneva singt die Lady Macbeth aus strömender Dramatik heraus mit außerordentlicher Unbedingtheit; heftig im Mezzo und lodernd in den Höhen, dabei mit ihrem personalen Timbre auftrumpfend. Sie antizipiert die dunklen Leidenschaften ihres Macbeth, sie weissagt sie eher, als dass sie diese auslöst, denn Regula Gerber verschränkt in ihrer Inszenierung die Zeitebenen und die seelischen Befindlichkeiten der Protagonisten, wie wenn aus dem Chaos Kristallisationspunkte entstehen. Punkte der Aggression, wobei sexuelle und mörderische aus gleicher Grundstruktur erwachsen. Weitere Asse an diesem Abend sind Charles Reid mit heldisch-frischem Tenor als Macduff und der prächtig strahlende Bassbariton von Liang Li Banco.

Die heftigen Buhs, die Regula Gerber und ihrem Team galten und gegen die sich Bravo-Rufe nicht durchsetzen konnten, sind aus der Inszenierung heraus nicht verständlich, auch wenn diese nicht ganz die konsequente Genauigkeit erreichte, die in der letzten Saison Gerbers Jenufa-Sicht auszeichnete. Doch bei einem Stück wie Macbeth, das so sehr Aggressionen verinnerlicht, mögen sich personal bedingte Aversionen Luft verschaffen, vielleicht auch gezielt. Jedenfalls war mächtig viel los im Quadrate-Städtchen, das über die größte Opernbühne (Deutschland? Welt?) verfügt, was wiederum mächtig Spaß macht. Wie schmerzlich berührt wären doch die Intendanten und/oder Regisseure, wenn immer nur eitel Zufriedenheit herrschte. So aber können sie sich unverstanden fühlen und auf ihr nächstes Opernwunder hoffen.

Eckhard Britsch

 






 
Fotos: Hans Jörg Michel