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Fakten zur Aufführung 

PARSIFAL
(Richard Wagner)
12. September 2008 (Premiere)

Staatstheater Mainz


Points of Honor                      

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Ein Orden vor der Selbstauflösung

Dieser Männerbund ist marode. Müde dümpelt der Orden der Gralsritter vor sich hin, führungslos, desorientiert, aller Illusionen beraubt. Dem wäre so, weil Amfortas an seinen Wunden leidet und der Fürsorge bedarf, weshalb er seiner Leitfunktion nicht mehr nachkommen kann? Sandra Leupold sieht dies in ihrer Inszenierung von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal für das Staatstheater Mainz subtiler, denn in ihrer Auffassung scheint der Gralsorden systembedingt zum Scheitern verurteilt. Warum? Weil er Frauen ausgrenzt, ihnen allenfalls die untergeordnete Funktion hübscher Ministrantinnen-Engel zum Wein-Einschenken zubilligt. So aber ist die Menschheit denn doch nicht angelegt, könnte die Botschaft lauten.

An ihren Stühlen kann man sie erkennen. Sandra Leupold hat eine puristische Bühne (Tom Musch) bauen lassen, die einem schäbigen Wartesaal gleicht, in dem ein Dutzend randständiger Sitzgelegenheiten eine wenig einladende Atmosphäre imaginieren, was an den Heidelberger Don Giovanni erinnert. Abgenutzt ist das Mittel der Wahl deshalb nicht, weil die Phantasie dieser Regisseurin unverkrampft, aber durchaus tiefgründig auf den Parsifal zugeht und in karger Szenerie durch suggestive Personenführung und genau gesteuerte Lichteffekte (Ernst Schießl) die Choreographie der Menschen erhellt. Denn der naive Tor Parsifal wird diesem Orden letztlich nicht mehr aufhelfen können, auch wenn er dem bösen Klingsor den symbolträchtigen Speer entwindet.

Zu Beginn kommt viel Volk auf die Bühne, Jung und Alt, bunt gemischt, wie auf einem Platz-Treffpunkt, scheinbar zufällig, als wollten sie sich - vielleicht - ein Bühnenweihfestspiel anschauen. Doch bald lichten sich die Reihen, denn Frauen haben keinen Platz in jener Männergesellschaft, die sich jetzt schäbige Umhänge überzieht. Ein Orden kurz vor seiner Selbstauflösung. Mit hintersinnigem Humor zeigt die Regie mit feinen Details die Fehler des hierarchischen Männersystems. Das Pathos vom „heil’gen Quell“ wird als hohl entzaubert, denn das mythische Wasser tröpfelt aus einem Wasserhahn. Die Mädchen-Engel ziehen sich Flügel über und scheinen in ihrer reinen Schönheit der Herren eher zu spotten als ihnen zu dienen. Und Kundry, das verführerisch-dämonische Weib, robbt aus dem inneren Kreis dieses Mysterienspiels heraus, ehe sie -geläutert durch christliche Gnade - aus dem Irdendasein scheidet. Es wirkt fast wie eine Parodie auf Wagners Rühren im seelischen Urgrund.

Das hat alles bildliche Kraft, Konsequenz in den Kostümen (Marie-Luise Strandt), etwa in der hinreißend ausformulierten Blumenmädchen-Szene ohne Blütenpracht, und ist vor allem musikalisch eindrucksvoll gemacht. Die Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt führt ihr Orchester zu einer plastischen und emotionsgeladenen Darstellung aus einem Guss, bei der das Philharmonische Staatsorchester auch in den pulsierenden Aufschwüngen hervorragend kultiviert aufspielt und mit sehr schön austarierten Übergängen aufwartet; die Chöre (Sebastian Hernandez-Laverny) fügen sich nachdrücklich ein.

Gesungen wird vom überwiegend hauseigenen Ensemble bemerkenswert gut. Hans-Otto Weiß ist mit rundem, durchwärmtem Bass ein großartiger Gurnemanz; Alexander Spemann ein überzeugender Parsifal, weil er nicht nur auf heldische Tenorfarben vertraut. Peter Felix Bauer singt - kostümiert wie ein Märchen-Magier - den Klingsor mit charakterisierender Schärfung, Dietrich Greve den Amfortas mit schmerzlicher Kraft. Ion Grigorescu gibt dem Titurel viel Würde, obwohl ihn die Regie als Schlafsack-Mumie verunstaltet, was albern wirkt. Gefeiert wurde Ruth Maria Nicolay als Kundry, die Exaltationen bewusst, wenn auch zuweilen flackernd aussingt.

Das Premierenpublikum war begeistert, feierte vor allem „seine“ Sänger und flocht einige schüchterne Buhs für die Inszenierung ein.

Eckhard Britsch

 






Fotos: Martina Pipprich