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Fakten zur Aufführung 

ORPHEUS oder DIE WUNDERBARE BESTÄNDIGKEIT DER LIEBE
(Georg Philipp Telemann)
13. März 2010 (Premiere)

Theater Magdeburg


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Der Schmetterling der Gefühle

Welch ganz moderne Widersprüche in der Barock-Oper. Im Orpheus von Georg Philipp Telemann wird zwar schon im Untertitel der tradierte antike Mythos über „die Beständigkeit der Liebe“ beschworen, doch im Libretto kommt unverhohlen und sehr direkt der Gegenpol zu Wort, ein Loblied auf die Freiheit von Liebe und Bindung, die nur Verdrießlichkeit bescherten, und dies im frühen 18. Jahrhundert,  proklamiert von einer Frau!  Der Telemannsche Orpheus - das Textbuch stammt von ihm selbst - weist auch sonst noch einige Besonderheiten und atypische Handlungsstränge auf. Orasia, Königin von Thrakien, liebt den Sänger, der inniglich mit seiner jungen Frau Eurydice verbunden ist. Um Orpheus doch für sich zu gewinnen, lässt die zauberische Königin Eurydice durch einen tödlichen Schlangenbiss aus dem Weg räumen. Doch Orpheus erwidert ihre Liebe nicht, geht den bekannten Weg in die Unterwelt, um Eurydice zurückzuholen, scheitert an der Bedingung und verliert Eurydice ein zweites Mal. Orasia frohlockt und sieht sich am Ziel ihrer Wünsche, doch Orpheus weist sie erneut ab. Zutiefst getroffen verwandelt sich Orasias Liebe zu Orpheus in Hass, sie lässt ihn ermorden und hofft schließlich durch ihre Selbsttötung, in der Unterwelt doch noch auf einen gnädig gestimmten Orpheus zu treffen. Nut Tote, kein Happy-End bei Telemann. Nicht die Beziehung Orpheus-Eurydike steht bei ihm im Mittelpunkt, sondern Orasia, eine dämonische, höchst widersprüchliche Frauenfigur mit ihrem intriganten Hofstaat. Die musikalischen Höhepunkte sind bei Telemann denn auch die dramatischen Szenen, in denen Orasia und ihre Vertraute Ismene voller Furor und Leidenschaft für ihre Sache kämpfen. 

Das Inszenierungskonzept von Jacob Peters-Messer am Theater Magdeburg versucht nun nicht, der musikalischen Dramatik noch eine szenische hinzuzufügen, sondern vertraut ganz auf die Emotionen der Töne, die mit eher sparsamen und reduzierten, auch pantomimischen Bewegungen auf der Bühne bebildert werden. Selbst wenn Orasia (Luanda Siqueira mit ausdrucksvollem Sopran) völlig entäußert ist, bleibt ihr Spiel ein recht gemessenes, wie auch ihre intrigante Vertraute Ismene (Caroline Meng mit rollengerechter dämonischer Stimme) bei aller Verruchtheit äußerlich sehr kühl und beherrscht daherkommt. Dieser Ansatz gewinnt seine Stimmigkeit bereits durch die klare, fast leere Bühne und die distanziert aufwendigen, aber keineswegs prunkvollen Kostüme von Markus Meyer. Der Bühnenraum wird durch nichts als weiße Wände begrenzt, in der Mitte ein weißes, verschiebbares Bett und zur Versinnbildlichung der Natureinsamkeit, in die sich Orpheus flüchtet, wird ein größeres Bild mit wuchernden Grünpflanzen herabgelassen. Auf denen dann der Schmetterling der Gefühle flattert. Die Unterwelt, durch Anheben der Wände symbolisiert, beherrscht mit Pluto die Karikatur eines Rocksängers. Bartolo Musil meistert seine zwei Arien über „Feuer, Zangen, Schwert“ mit Bravour auf einem Riesen-Krokodil. Alles ist mit leichter Hand, locker und gelegentlich ironisch angerichtet, fernab jeglicher Barockschwere. Man schaut gebannt auf das trotz aller Dramatik raffiniert-vergnügliche Theaterspiel. Etwas schwerer haben es diesem Rahmen die eher innig und seriösen Rollen mit ihrem Profil. Dana Marbach als Eurydice verkörpert nicht nur mit ihrem Spiel glaubhaft das frische naive Mädchen. In der Titelpartie weiß Pierrick Boisseau mit seinem variablen Bass-Bariton zu überzeugen, ebenso wie der Tenor Peter Diebschlag als sein Freund Eurimedes. Clementine Margaine ist mit ihrem runden Mezzosopran ein wertvoller Gehilfe ihres Unterweltherrschers Pluto. 

Das Orchester kommt wie die meisten Solisten von auswärts. Das auf alte Musik spezialisierte Ensemble Opera Fuoco aus Paris legt mit seiner kleinen Besetzung unter der Leitung seines Chefdirigenten David Stern einen hinreißend transparenten und differenzierten Klangteppich für die Solisten aus. In den Orchester-Zwischenspielen besticht die Variationsbreite und -tiefe des im wesentlichen aus Streichern mit wenigen Holzbläsern bestehenden Ensembles. 

Das Publikum verfolgte die Aufführung gebannt und konzentriert fast ohne störende Nebengeräusche. Der sich bereits zur Pause abzeichnende Beifall wuchs zum Schluss zu großer, einhelliger Zustimmung für alle Beteiligten, einschließlich des Regie-Teams. 

Axel Göritz

 






 
Fotos: Nilz Böhme