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Fakten zur Aufführung 

LADY MACBETH VON MZENSK
(Dmitri Schostakowitsch)
9. Mai 2008 (Premiere)

Theater Magdeburg


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Sex only

Katerina geht ihrem Schwiegervater ans Gemächt – auslösender Faktor für ein Panoptikum sexueller Kommunikation ohne psychologische, politische, soziale Deutungszusammenhänge. Massenvergewaltigung der Magd, Katerina mit Sergej, Katerina mit Sinowi, Boris als Gemeuchelter mit Katerina, Boris im homoerotischen Rausch Sergej auspeitschend, Sergej mit Sonjetka, Katerina mit Sonjetka - Sex in allen Konstellationen. Es scheint, als habe Markus Dietz die orgiastische Beischlafmusik pars pro toto genommen, und will jede rhythmische Andeutung in sexuelle Aktion umsetzen. Platt formuliert: Es wird gebumst auf Teufel komm heraus – und jeglicher Bedeutungszusammenhang bleibt außen vor.

Ein Opern-Porno wird das nicht; dazu entsprechen die gepeinigten SängerdarstellerInnen zuwenig den Rotlicht-Klischees, dazu ist die Szene zu artifiziell-abstrakt. Bleibt die Vermutung nach dem „tieferen Sinn“ – entweder die krude Sexualisierung eines hochpolitisch begründeten Werks (aber dann ist wohl zuviel Freud unbegriffen gelesen worden, ohne sich mit Wilhelm Reich zu beschäftigen) oder es handelt sich um eine theatral überzeichnete Warnung vor der Hyper-Sexualität dieser Gesellschaft (ohne sich mit sexualpädagogischer Theorie auseinandergesetzt zu haben). Das Inszenierungskonzept scheint einem Spontaneinfall geschuldet, die szenische Umsetzung pseudokritischer trivialer Sexmedien zu entspringen. Von politischer Sprengkraft jedenfalls keine Spur: Eine lasziv-biergießende Spaßgesellschaft in Unterwäsche ist nun mal kein empörender Gegner, sondern nur die blödsinnige Seite dekadenten Lebensgefühls. Markus Dietz kopiert offenbar Leander Haussmann und dessen bühnengewordenen Un-Ernst.

Ines Adler stellt ein (Lotter-)Bett auf die leere Bühne, begrenzt von variablen Wänden mit wechselnden Fugen, in denen „das Volk“ im Gegenlicht wie Schattenrisse plakativ erscheint.

Francesco Corti ist den expressionistischen Attitüden der brutal-aussagestarken Schostakowitsch-Musik verpflichtet, leitet die Magdeburger Philharmonie zu fulminant-eruptivem Spiel, sorgt bei allen tumultuösen Crescendi für orchestrale Transparenz, für eine frappierende Dynamik und für die permanente Dramatik der zwischenmenschlichen Beziehungen mit ihren außengeleiteten Schicksalen – lässt den Einzelinstrumenten Gelegenheiten zu virtuosem Spiel.

Milana Butaeva singt (am Bühnenportal stehend – Anita Bader ist stimmlich indisponiert und agiert auf der Bühne) die Katerina mit beeindruckender stimmlicher Präsenz - aggressiv in den Höhen, leidenschaftlich in den Tiefen, differenziert in der Mittellage, überwältigend in ihrer Ausdruckskraft! Nikolaus Meer gibt dem Sex-Monster Boris im Party-outfit fundamentale Kraft, Peter Diebschlag ist ein eher larmoyant phrasierender Sinowi. Manfred Wulfert verleiht dem hemmungslos-ungesteuerten Sergej flexiblen Klang und Ulrike Mayer gibt der erotisierten Sonjetka ungemein kraftvoll-ausdrucksvolle Stimme! Das Magdeburger Ensemble kommt mit den vielen Rollen gut zurecht, hat allerdings Probleme mit der inszenatorischen Konzeption. Grandios im perfekten Zusammenklang der Magdeburger Opernchor, verstärkt durch Mitglieder der Magdeburger Singakademie und des „Coruso“ – da wird die Schostakowitsch-Expressivität intensiv erlebbar, da wird die revolutionäre Kraft der „Lady von Mzensk“ nachvollziehbar!

Das Magdeburger Premierenpublikum ist einigermaßen überrascht ob des fahrlässigen Umgangs mit dem sperrigen epochemachenden Werk, feiert Solisten und Orchester - und versagt der Regie jegliche Buhs. (frs)