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Fakten zur Aufführung 

BORIS GODUNOW
(Modest Mussorgsky)
24. Oktober 2008 (Premiere)

Theater Magdeburg


Points of Honor                      

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Düstere Kraft

Es geht um russische Historie, um zaristische Rituale - aber auch um „Zettelfalten“ als Wahlkarikatur und der Sucht nach Reichtum – schließlich um politische Intrigen. Um die Korrumpierung der Macht – und dann noch um den persönlichen Wahnsinn aus Verlorenheit in eigener Schuld.

Vera Nemirova überfrachtet Puschkin/Mussorgskys Ur-Boris mit einer Vielfalt elementarer Motive; ihre Inszenierung lebt von einer grandiosen Regie, von der turbulenten Führung der 120 Chor-Mitglieder, von tief beeindruckenden Personen-Konstellationen, von hinreißendem Bühnenhandeln!

Tom Musch baut eine aussagestarke Bühne mit einer podiumsfüllenden Treppe, darüber schwebenden Gegen-Elementen mit einem riesigen Ausblick in den dunklen Himmel. Die Alltagskostüme und die mit Ikonen verzierten Umhänge von Marie-Luise Strandt schaffen einen nachvollziehbaren Übergang von brutaler Historie und bedrängender Aktualität.

Das Ensemble der Oper Magdeburg interpretiert die vielschichtigen Ansätze des Abends mit enormem Einsatz: Der Magdeburger Opernchor, die Magdeburger Singakademie und Coruso-Mitglieder faszinieren in den so entscheidenden Massenszenen. Nikolaus Meer gibt einen gespaltenen Boris – Höhepunkt die verzweifelte Begegnung mit dem Gottesnarren (gespielt und gesungen vom intensiv agierenden Peter Diebschlag) – zeigt ein Opfer des eigenen Gewissens, hält die Spannung über die gesamte Zeit und wird mit den geforderten stimmlichen Herausforderungen bravourös fertig. Tomas Möwes gibt einen ungemein variablen Warlaam; Paul Sketris ist ein nachhaltig philosophierender Pimen; Iago Ramos agiert als renitenter Grigorij mit aggressivem Timbre und differenziertem Ausdruck. Ulrike Mayers Fjodor ist eine darstellerisch und stimmlich flexible Charakterstudie par excellence. Die weiteren Rollen sind in Magdeburg typengerecht besetzt und lassen ein hoch ambivalentes Geschehen mit großer Assoziationskraft Bühnen-Wirklichkeit entstehen.

Die Magdeburgische Philharmonie präsentiert die ungeschönt-konsequente Musik des Ur-Boris unter dem kommunikativ agierenden Francesco Corti im leidenschaftlichen Zusammenspiel. Mussorgskys Intentionen werden in elementaren Forte-Tutti, in extremer Dynamik deutlich – individuell pointiert durch engagierte Soli der Einzel-Instrumente!

Das Magdeburger Publikum bleibt – trotz aktiver Chöre am Parkett-Rand, beklemmenden Aktionen auf der Bühne und hinreißender Jubelszenen per Video – eigentümlich reserviert - erst nach dem letzten Vorhang macht sich offenbar aufgestaute Leidenschaft Raum: Der Schluss-Beifall ist enthusiastisch! (frs)