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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
13. März 2009 (Premiere)

Teatro Real Madrid


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Zwei Welten

Jede Tannhäuser-Inszenierung wird zunächst nach dem „Konzept“ hinterfragt. Ian Judge geht es offenbar um das Aufeinandertreffen zweier konträrer Welten: des freizügig-offenen Tannhäuser und der konventionell-etablierten Gesellschaft - nicht Kunst versus Banausentum oder Sex versus verklemmter Enthaltsamkeit. Das zelebriert der so theatererfahrene Judge in spektakulärem Bühnenhandeln, konkretisiert als wogendes Agieren mit dem immer wiederkehrenden Positionieren in plakativen Ensembles. Es gelingt ein sexuell-stimulierendes Szenario des Bacchanals – durchaus konkurrierend mit allgegenwärtigen medialen Darstellungen im Soft-Porno-Duktus und eine leidgeprüft-ausweglose „Erlösung“ Tannhäusers - allerdings mit frappierender Variante: Wolfram folgt der Venus in ihr Reich; der Antagonismus wird zum Zyklus der archetypischen Kontroverse!

Dass dies spektakuläre Konzept aufgeht, ist vor allem den kommunikativ-stimulierenden Bühnenbauten von Gottfried Pilz zu danken: Auf zwei Drehbühnen bewegen sich schwarze Fensterwände und monumentale Fassaden, fokussieren demonstrative rote und grüne Leuchtröhren die Aufmerksamkeit und schaffen imaginative Raum-Konstellationen mit allen Ingredienzien der Bühnen-Magie.

Christian Gerhaher als freundschaftlich verbundener, an Tannhäusers Motiven hochinteressierter Wolfram gibt dem Geschehen mit seinem modulationsreichen, intensiv-timbrierten Bariton und seinem ausdrucksvollem Agieren entscheidende Impulse. Peter Seiffert ist der enthusiasmiert-verunsicherte Tannhäuser, braucht allerdings eine lange Anlaufzeit, um die Rom-Erzählung dramatisch-heldentenoral bravourös zu vermitteln. Petra Maria Schnitzer fasziniert als liebend-entsagende Elisabeth, interpretiert mit ihrem agilen, ausdrucksstarken Sopran Sehnsucht, Leidenschaft und gläubiges Entsagen in bewegender Intensität. Lioba Braun als eher cool-berechnende Venus beeindruckt mit ihrem souveränen Mezzo und gebrochener Emotionalität. Günther Groissböck demonstriert als konsequent-normierender Landgraf eine ungemein kraftvoll-voluminöse Stimme, unterstreicht seine stupende Fähigkeit zu deklamatorischem Ausdruck. Mit Stephan Rügamers hellem Tenor als Walther, Felipe Bou als klangschönem Biterolf, Joan Cabero als ausdrucksvollem Heinrich der Schreiber und Johann Tilli als durchsetzungsfähigem Reimar sind die angepasst-konventionellen Sänger außerordentlich besetzt – und Sonia de Munck singt den Hirten mit erfrischend-heller Stimme. Der Coro Sinfonica de Madrid (Leitung Peter Burian) brilliert darstellerisch beim exzentrisch choreografierten Einmarsch auf die Wartburg und präsentiert perfekten Chorgesang!

Jesus Lopez Cobos leitet das Orquesta Titular del Teatro Real zu einem luziden Wagner-Klang, nutzt die exzellente Akustik des Teatro Real zum differenzierten Ausdruck aller Instrumentengruppen – und vermeidet jeglichen Bombast, unterstützt die Solisten nachhaltig – doch ein wenig mehr Leidenschaft im kollektiven Spiel könnte nicht schaden.

Das kultivierte Premieren-Publikum im geradezu magischen Teatro Real folgt mit gespannter Aufmerksamkeit in phänomenaler Lautlosigkeit, applaudiert mit verteilter Intensität – und lässt sich durch die zuvor medial-vermittelten Skandalisierungen („Porno-Oper“) überhaupt nicht beeinflussen.

Eine großartige Opern-Atmosphäre! (frs)

 








 
Fotos: Karen Stuke