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Fakten zur Aufführung 

ISMENE
(Georges Aperghis)
7. März 2009

Kulturzentrum AINSI Maastricht
Compagnie Khroma


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Psychedelische Qualen

Da steht sie, nackt mit Perlenkette, in einer knöcheltiefen Wasserfläche, im dunklen Raum vor einer Wasserprojektion: eine Sprecherin, Sängerin, Vokalistin – artikuliert mit totalem Körpereinsatz und nachgerade besinnungslos machender Intonation die zwanghaften Psychosen der Ismene.

Yannis Ritsos nimmt den Oedipus-Mythos als „Material“, rekurriert auf das Antigone-Trauma, entwickelt immer neue Reflexionen, erfindet immer wieder retardierende „Rückblenden“ auf den mythischen Kosmos archaischer Eruptionen - lässt sich aber permanent berauschen vom so modulationsreichen Französisch, und inhaltlich ins Esoterische verleiten.

Georges Aperghis entwickelt einen musikalischen Duktus, der die Gesetze konventioneller Theater-Musik souverän durchbricht, Formen stimmlicher Artikulation entwirft, die ansonsten in experimentellen Piécen erprobt werden, aber keine noch so introvertierte Reflexion über einen Abend tragen. Eingespielte magisch wirkende Geräusche, Verdoppelungen des Bühnen-Gesangs verstärken die bewusst irrationale Wirkstruktur der synthetischen Töne und Klänge - vermitteln aber weniger emotionale Betroffenheit als vielmehr psychedelische Qualen.

Marianne Pousseur ist die sprechende, singende, vokalisierende Ismene, fasziniert mit einem schier unvorstellbaren Repertoire an stimmlichen Möglichkeiten, wechselt von Kopfstimme zur Bruststimme in frappierender Unmittelbarkeit, deutet stammelnde Brüche an, beherrscht die vertracktesten Möglichkeiten menschlicher Stimm-Produktion - und badet geradezu (vor allem in den „gesprochenen“ Passagen) in der artifiziellen Performance eines süchtig machenden sprachlichen Melos. (Die auf französisch artikulierten Texte sind Niederländisch übertitelt – für Deutschsprachler ein geradezu abenteuerlicher Verstehens-Prozess!) Doch alle lustvolle körperliche Selbstentäußerung, alle stimmliche Virtuosität und alle technischen Tricks helfen nicht, persönliche Betroffenheit zu vermitteln - zu hermetisch sind die inneren Prozesse, zu esoterisch ist der unvermeidliche Eindruck.

Und so werden die 75 Minuten intensivster Spielzeit für das hoch aufnahmebereite Publikum zu einem extrem langen Abend kaum zu ertragender psychischer Belastung - nur: mit welchem Ertrag? Sophokles hat dies alles existenziell-deutend vorgegeben – allerdings mit der Katharsis-Intention. Die gibt es bei Ritsos/Aperghis nicht – und das Publikum bleibt gelähmt allein. Auch in der internationalen Atmosphäre des Maastrichter Kulturzentrums in einer aufgelassenen Fabrik macht sich Ratlosigkeit breit. (frs)