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71 Rollen mit 31 Darstellern - das
macht deutlich, welch Aufwand für Schostakowitsch' "seltsames" Werk erforderlich
ist! Jakob Peters-Messers eindrucksvolle Regiearbeit betont in der bizarren
Mixtur von Obrigkeitskritik, Absurdem und Identifikationsproblemen das
Kafkaeske in der Suche Kowaljows nach seiner verlorengegangenen Nase.
Dem entsprechen die monumentale Bühne von Markus Meyer mit allgegenwärtiger
Bürokratie und die ebenso (Polizei-)Gewalt assoziierenden Kostüme von
Sven Bindseil.
Die Sänger gehen ihre diffizilen Aufgaben selbstsicher an: parodierender
Sprechgesang mit exaltierten Laufbildern sind gefordert. Tomasz Koniecny
und Sigurd Karnetzky gelingt das mit an Selbstentäußerung grenzender Intensität,
während sich die Damen des Ensembles auf expressives Vibrato verlassen,
ohne damit Charaktere zu gestalten. Stimmlich variabel ist Gerard Quinns
psychotischer Kowaljow, doch fehlt der letzte Schuss an Genialität, um
diese hochkomplexe Rolle zur bezwingenden Faszination werden zu lassen.
Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck ist sicherlich nicht
spezialisiert auf "moderne" Herausforderungen, doch gelingt es Rüdiger
Bohn durchaus eindrucksvoll, die gewagten Stilmischungen der 20er Jahre
zu intonieren, und die Solisten des Orchesters (Blech, Flöten, Schlagzeug)
nutzen die Chance für herausragende Effekte.
Wenn man neben sich zwei geschwätzige alte Damen hat; vor sich einen engagierten
"Musikerzieher", der seinen sechs-, achtjährigen Sprösslingen die Geheimnisse
des Bühnengeschehens erklärt, bei Piano-Passagen nicht klar ist, ob die
verhaltenen Stimmen von der Bühne oder aus dem Auditorium kommen; wenn
man in der Pause wie selbstverständlich von seinem Wasser-Trinkplatz gedrängt
wird, und wenn einem dann noch beim Verlassen des Theaters die Schwingtür
vor die Nase (sic!) geknallt wird - dann, ja dann ist natürlich keine
Hochachtung für das Lübecker Publikum zu erwarten! (frs) |
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