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Fakten zur Aufführung 

ARABELLA
(Richard Strauss)
22. Januar 2010 (Premiere)

Theater Lübeck

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Genau die „richtige“ Arabella für Lübeck

Der Rosenkavalier taucht in der gemeinsamen Arbeit Richard Strauss’ und Hugo von Hofmannsthals an Arabella immer wieder als Vorbild auf, als Orientierungsmarke, die es für das neue Werk einzuhalten gelte. „Keinerlei äußere Verwandtschaft oder Ähnlichkeit mit dem Rosenkavalier, aber eine innere Verwandtschaft“, schreibt Hofmannsthal an Strauss. Und diese innere Verwandtschaft ist spürbar, wird auch in der Arabella um Liebe, Verzicht, Selbstentäußerung und die Vereinbarkeit von Pflichterfüllung und Sehnsüchten gehandelt – wenngleich unter ganz anderen Voraussetzungen als im Rosenkavalier.

Regisseur Kay Kuntze setzt in seiner Neuproduktion für das Theater Lübeck im besten Sinne des Wortes auf „Nummer sicher“. Wunderschön anzusehende Kostüme im Stil der Jahrhundertwende, von José-Manuel Vázquez entworfen, deuten das vornehme, aber gefährdete Millieu an, in dem die Geschichte spielt. Ein prachtvoller, meterbreiter Teppich ist das von Benitha Roth kreierte markante Bühnenelement, er dient im ersten Aufzug als Korridor im Hotel – auf einer noch dezenten, nach hinten verlaufenden Schräge angebracht – im zweiten Akt als Tanzfläche beim Ball und im dritten Akt schließlich als auf einer schwindelerregenden Schräge liegende Treppe im Hotel – die Verwirrungen zwischen den Protagonisten sind hier immerhin in eine beträchtliche Schieflage geraten. Diese sehr einfachen, aber wirkungsvollen Mittel spickt Kuntze mit einer Reihe liebevoller Details, die zu einer runden, in sich geschlossenen Erzählweise führen. Da gibt es keine tiefsinnig-intellektualisierte Interpretation, aber das muss auch überhaupt nicht sein – denn Kay Kuntze ist ein Regisseur, der sein Handwerk versteht.

Die Schweizer Sopranistin Marion Ammann hatte in der Vergangenheit in Lübeck vor allem als Sieglinde einen großen Erfolg; Elsa, Isolde und die Kaiserin in der Frau ohne Schatten sind weitere Partien, mit denen sie an verschiedenen Häusern gastierte. Nun gab sie ihr Rollendebut als Arabella und ersang sich einen großartigen, verdienten Triumph. Schwebende Piani, kraftvolle, dramatische Aufschwünge bis in die höchsten Lagen, dabei eine nicht minder kraft- und ausdrucksvolle Mittellage und Tiefe machen ihre Arabella zu einem Ereignis. Dazu kommt ihr beinahe introvertiertes, distinguiertes Spiel, mit dem sie der Figur großen Charme und Noblesse verleiht.

Ihr zur Seite stand der junge Bariton Antonio Yang als Mandryka. Gerade seine Jugendlichkeit gibt der Figur das nötige Temperament, hier als wirklicher Gegenpol zu Arabella aufzutrumpfen. Stimmlich gelingt ihm das mit seinem ungemein kernigen, satten Bariton nicht weniger. „Und wirst du bleiben, wie du bist?“ – „Ich kann nicht anders werden, nimm mich, wie ich bin!“ – diese Worte aus dem letzten Dialog zwischen beiden sind für die Sänger Amman und Yang nur zu wörtlich zu nehmen. Sie sollen nicht anders werden, sondern bleiben, wie sie sind.

Anna Baxter scheut sich als resolute Zdenka nicht vor gelegentlichen Schärfen in der Höhe ihres leicht anspringenden, beweglichen Soprans, zeichnet somit aber nur umso mehr ein überzeugendes Rollenporträt von Arabellas kleiner Schwester, die für sie an die Grenzen der Selbstaufopferung geht. Wundervolle Charakterstudien mit äußerster stimmlicher Präsenz liefern Veronika Waldner und Martin Blasius als Eltern Adelaide und Graf Waldner. Timothy Richards gibt den Matteo darstellerisch sicher zwischen Ungestüm und Verzweiflung, führt seinen Tenor dabei aber mitunter reichlich eng und mit zu viel Druck. Abgerundet wird das Ensemble von Daniel Szeili (Elemer), Jundong Kim (Dominik), Jin-Soo Park (Lamoral) und der aufhorchen lassenden jungen Mezzosopranistin Anne Ellersiek als Kartenaufschlägerin. Andrea Stadel hatte es für ihren kurzen, aber effektvollen Auftritt als Fiakermilli infektverschuldet die Stimme verschlagen, die ihr Olga Peretyatko aber erfolgreich von der Seite lieh.

GMD Roman Brogli-Sacher brauchte mit seinem Orchester etwas Zeit, um sich dynamisch auf die Bühne einzustellen. Vor allem im ersten Akt drehte er mitunter etwas zu sehr auf, was sich später aber in einem plastischen, überwiegend konzentrierten Spiel seiner Musiker auflöste. Die Süße und Zuckrigkeit der Partitur betonte Brogli-Sacher nicht noch etwa besonders, sondern spürte sicher den durchaus vorhandenen schroffen Momenten nach und animierte sein Orchester auch immer wieder zu wunderbar kammermusikalischem Spiel.

Ein großer Opernabend für das Theater Lübeck, der vom Premierenpublikum nicht nur mit großer Konzentration verfolgt, sondern am Ende auch mit frenetischem Jubel gefeiert wurde. Arabella philosophiert im Lauf des Stücks mehr als einmal darüber, wie sie dem „Richtigen“ wohl begegnen wird – die richtige Arabella hat das Theater Lübeck jetzt.

Christian Schütte










 Foto: Oliver Fantitsch