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Fakten zur Aufführung 

DAS RHEINGOLD
(Richard Wagner)
5. November 2010 (Premiere)

Theater im Pfalzbau Ludwigshafen


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Des Rheines Gold im Ziffern-Wald

Hat Hansgünther Heyme, ein bedeutender Mann des deutschen Regietheaters, ein bisschen viel Plunder auf die Bühne des Pfalzbaus Ludwigshafen gestellt, um damit zu übertünchen, dass ihm mit Wagners Das Rheingold nun doch nicht der große Wurf gelungen ist? Jedenfalls ließ der Einstieg in das große Ring-Projekt, das der Pfalzbau gemeinsam mit dem Theater Halle an der Saale bis Ende 2012 absolviert haben wird, einige Fragen offen. Dabei ist die Thematik so alt wie die Menschheit selbst und deshalb stetig aktuell: Das Gold bleibt glänzende Versuchung; um es zu erringen, gehen manche Menschen über Leichen. Der Riese Fafner zum Beispiel, der seinen Bruder Fasolt erschlägt, weil beide sich über die Teilung der Beute nicht einig werden. Bei Heyme wird Fasolt stranguliert.

Hansgünther Heyme, der Regie und Ausstattung besorgt, gönnt sich und dem Publikum einige Assoziationen. Die eine schräge Bühnenwand ist voller Ziffern. Börsensaal? Flughafen-Anzeigetafeln? Nummerierte Kästchen gar für Urnen? Jedenfalls bestimmen Zahlen die Götterwelt, denn Wotan & Co. leben in einer Zeit des Kapitals. Auf der anderen Bühnenseite ein Durcheinander an Accessoires wie aufgeklappte Koffer, Feldbett, Kleinkram, die Rat- und Rastlosigkeit der Figuren symbolisieren. Denn Wotan, der Einäugige, ist mit sich und der Welt unzufrieden, sucht seinen Ort, während seine Fricka Glanz in die düstere Behausung bringen will. Eine Frau zum Repräsentieren, die etwas darstellen möchte. Aber bekanntlich geht da im Rheingold einiges schief.

In der Inszenierung deshalb auch, weil sie unentschlossen wirkt. Der Ansatz, Gold mit Geld gleichzusetzen als Tanz ums Kapital würde ja sicherlich tragfähig sein, wenn er denn zu Ende geführt würde, doch wirkt Heymes Regie unentschlossen in der Flucht in vielerlei Details. Jedes für sich mag bedeutsam sein, in der Summe aber heben sie sich auf. Merkwürdig brav erscheint auch das Böse, denn Fafner (Christoph Stegemann) und Fasolt (Alexander Vassiliev), die immerhin Kidnapping an der lieblichen Freia (Anke Berndt mit jugendlich hell geführtem Sopran) betreiben, weil Wotan die Rechnung für den Hausbau nicht begleichen will, sind hier recht wackere Burschen. Sie können sich vor Kraft in den überbreiten Schultern kaum bewegen, doch Aggression, Hass, Wut oder Zorn scheinen ihnen fremd. Gut eingepasst wirken die Videoprojektionen der sklavisch hämmernden Nibelungen, etwas sparsam der aus Tuchfahnen bestehende Regenbogen im Schlussbild mit den skurril von oben schwebenden Walküren, und seltsam die käfigartigen Gebilde vor der Ziffern-Wand als Fluchtpunkte für so manchen, der sich vor der Wirklichkeit verstecken will.

Am oberen Limit spielte die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter ihrem Chef Karl-Heinz Steffens, der in Personalunion auch GMD in Halle ist, wodurch die Kooperation zustande kam. Im Normalbetrieb ein Konzertorchester, hat sich der Klangkörper tapfer in Wagners Musik hineingespielt, auch wenn Steffens anfänglich eher den Notentext musikalisch buchstabierte, als ihn auszuschöpfen. Doch die Koordination mit dem Gesangsensemble passte gut, und Karl-Heinz Steffens, in seinem früheren Leben Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, setzte dann noch viele am Bühnengeschehen orientierte Akzente. Bläser durften auftrumpfen, die Streicher lieferten transparenten Sound, Tutti-Passagen hatten durchaus Glanz. Das hatte alles seinen geordneten Platz, ließ aber im Umkehrschluss das große Aha-Erlebnis nicht zu.

Sängerisch „ein junges, unverbrauchtes Ensemble“ einzusetzen, so Dirigent Karl-Heinz Steffens, mag bei Wagner nicht ganz unproblematisch sein. Doch ragte der bemerkenswerte, auch geschmeidig auftrumpfende Charaktertenor von Paul McNamara als Loge heraus, jenem Gebieter über das Feuer, doch auch die anderen Figuren waren gut besetzt: Wotan mit dem Heldenbariton Gérard Kim, sowie Niels Giesecke als Froh und Asgeir Pál Agustsson als Donner. Sehr stark die darstellerische und sängerische Leistung des Charakterbaritons Gerd Vogel als Alberich, den die Wut über die unerwiderte Liebe der Rheintöchter zu abgründigem Tun verleitet. Die wiederum (Ines Lex, Sophie Klußmann, Sandra Maxheimer) netzten Hände und Füße in einem merkwürdig anämisch plätscherndem Rinnsal, aha der Rhein, dabei wogt und wallt der doch direkt vor der Ludwigshafener Haustür. Ulrike Schneider, als Göttin Fricka schön anzuschauen im güldenen Abendkleid, ließ ihren Mezzo nur gelegentlich dramatisch aufblitzen. Großartig Julia Feylenbogen als Erda mit dunkel glühender Altstimme, tüchtig Ralph Ertel im gestreiften Gefangenen-Outfit als gequälter Mime.

Das Premierenpublikum schenkte heftigen Beifall plus einige schüchterne Buhs für Hansgünther Heyme. Das Rheingold wandert jetzt in einen anderen Fluss, nach Halle an der Saale, und das Ring-Projekt insgesamt will sich deutlich abheben vom üblichen Repertoire-Betrieb. Sichtbares Zeichen dafür ist etwa der Bühnenvorhang, den Jugendliche nach Ernst-Bloch-Gedanken als Ausdruck ihrer Wünsche und Erwartungen gestaltet haben. Auch vielerlei Begleitveranstaltungen einschließlich Tag der offenen Tür wollen den Zugang zu Wagner auch denen öffnen, die ihn bislang noch nicht gefunden haben.

Eckhard Britsch

 











 
Fotos: Gert Kiermeyer