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Fakten zur Aufführung 

AL GRAN SOLE CARICO D'AMORE
(Unter der großen Sonne von Liebe beladen)
(Luigi Nono)
8. November 2009
(Premiere: 8. Oktober 2009)

Oper Leipzig


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Menschenwürde

Peter Konwitschny bringt als „Chefregisseur“ seine Aida, seinen Lohengrin, sein Gran Sole nach Leipzig - und findet beim kunstverständigen Publikum mit seinen dialektischen Plädoyers gegen den zivilisatorischen Status Quo nachdenkliche Zustimmung.

Gerade Nonos marxistisches Lehrstück wird kritisch beobachtet, wird aber auf dem historischen Hintergrund von vierzig Jahren DDR und zwanzig Jahren „Deutschland“ als nicht-ideologisches Angebot zum „Selbständigen Denken“ reflektiert. Bei all dem Pathos um die „friedliche Revolution“ von 1989 wirkt dieser Abend wie ein „Anti-Propaganda-Lehrstück“ als dramatischer Paukenschlag – dialektisch eben! Dazu kommt Konwitschnys authentische Leidenschaft für die unteilbare „Menschenwürde“ - und sein Ingenium, scheinbar abstrakte „Ideale“ in faszinierendem „Bühnenhandeln“ erlebbar zu machen!

Und: Seine Inszenierung korrespondiert genial mit der Nono-Musik, mit den Klang gewordenen Brutalitäten der Unterdrückung, aber auch mit den Sehnsüchten nach persönlichem Glück in Verhältnissen sozialer Gerechtigkeit.

Essentiell getragen wird die Leipziger Version der Hannoveraner epochemachenden Inszenierung vom hinreißend emotional agierenden und hoch differenziert singenden Chor der Oper Leipzig! Das mehr als zwanzigköpfige Solisten-Ensemble beeindruckt durch darstellerische Leidenschaft und durch virtuosen Gesang – und das ist bei Nonos komplexen Vorgaben mit exaltierten stimmlichen Herausforderungen ein Beweis für die Kompetenz des Ensembles! Iris Vermillions Mutter; die vier Soprane Carmen Fuggis, Kathrin Göring, Soula Parassidis und Tanja Andrjic; Tuomas Pursio als Pavel seien stellvertretend für alle genannt.

Unter Johannes Harneit interpretiert das Gewandhausorchester Leipzig die „brutale“ Musik Nonos dramatisch aus der Stille kommend, „inszeniert“ knallharte Crescendi der Blechbläser und der virtuosen Schlagzeuger!

Im ideenreichen Bühnenbild Helmut Brades – ein Feld von Särgen, martialisch bedrängende Wände, intime Rückzugs-Räume – entwickeln sich Handlungen im Stil des expressionistischen Films von Eisenstein und Vertov (sujet-bezogen!) mit bezwingender Kraft.

Das Publikum reagiert mit konzentrierter Aufmerksamkeit, setzt sich permanent mit dem Gesehenen und Gehörten auseinander, fühlt sich thematisch adäquat angesprochen, ist beeindruckt von der intellektuellen Herausforderung - und reagiert im voll besetzten Haus nach lang anhaltendem Applaus mit intensiven Diskussionen. Konwitschnys Angebot zeigt Wirkung!

Franz R. Stuke

 






 
Fotos: Andreas Birkigt