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Fakten zur Aufführung 

PELLÉAS ET MÉLISANDE (Claude Debussy)
19. Januar 2001 (Premiere)


Oper Leipzig


VOM UNGLÜCKLICHSEIN DER UNSCHULDIGEN

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Udo Zimmermann bietet in der Endphase seiner ungemein erfolgreichen Leipziger Intendanz dem Leipziger Publikum und den externen Opernenthusiasten einen absoluten Höhepunkt: John Dew inszeniert einen nachdenklichen Ablauf hochintensiver Kommunikation in den inneren Landschaften der Unglücklichen. Man ist geneigt, zu sagen, er realisiert das movens des sächsischen Mystikers Karl May "Die Seele ist wie ein weites Land, in das wir fliehen". Das "weite Land" gibt die geschwungene Bühnenfläche Roland Aeschlimanns vor, mit Blicken in die unergründlichen Tiefen der menschlichen Enttäuschungen. Mélisande ist - um bei Karl May zu bleiben - die "Menschheitsseele", ganz in Weiß, abgehoben von den manisch schwer gekleideten anderen Figuren (delikate Kostüme von Jose-Manuel Vasquez) und Symbol des unüberwindlichen Zustands von unglücklichem Aktionsverzicht. Und wenn Golaud zwanghaft handelt, tut er es als Unglücklicher, der seine Depression nicht beherrschen kann. Diese Archetypen sind als Metaphern urmenschlicher Verzweifelung permanent auf der Bühne - und dem regielichen Genius gelingt es in ungemein intensiven Gesten, Bewegungen und Blickkontakten, das theatrale Bild der melancholischen Sehnsucht nach dem unmöglichen Ausweg dem atemlosen Publikum zu vermitteln.
Diese sensitive Körperlichkeit der Inszenierung realisieren Sängerdarsteller mit höchster Konzentration: Magdalena Kozena ist eine wunderschöngeheimnisvolle Mélisande mit einer seidenweichen Stimme, die alles Geheimnisvolle transportiert und eine Atmosphäre unendlicher Melancholie im Auditorium verbreitet. Der Golaud wird von Vincent Le Texier in enormer Dynamik charakterisiert, überrascht, liebend, enthusiastisch, misstrauisch, wütend, verzweifelt - eine Glanzuleistung baritonaler Möglichkeiten. Dagegen bleibt der Pelléas Brett Polegatos eher eindimensional-lyrisch, aber sehr ergreifend. Die emotional bewegende Stärke der märchenhaften Intensität liegt in der Kompetenz ihrer Sänger; ein unbegreiflich harmonisches Ensemble beeindruckt durch höchste Konzentration und intensiv-perfektes Singen.
Die impressionistische Komposition Debussys ist wohl noch nie so differenziert präsentiert worden wie durch das Gewandhausorchester Leipzig mit Marc Minkowski als total engagiertem Dirigenten, der die schier unvorstellbaren Möglichkeiten der Versammlung hochkarätiger Einzelkönner zum schwebenden Klang der Instrumente suggestiv zusammeführt.
Das Publikum reagiert hingerissen ob der gültigen Deutung, der bewunderten Solisten und des enthusiastisch gefeierten Orchesters. Man wird lange zurückdenken müssen, um auf einen solch triumphalen Erfolg der traditionsreichen Leipziger Oper zu stoßen. Störend: eine blasierte Bande von Kritiker-Darstellern, die Notizen machen, statt auf die Bühne zu gucken; sich dem Applaus verweigern und herablassend das begeisterte Publikum mustern. Woher nehmen diese Leute bloß die Chuzpe, anderen ein Urteil zu vermitteln? Wer auf beckmesserische Rezensionen stoßen sollte: alles schiere Ignoranz. Leipzigs "Pelléas und Mélisande" ist der Höhepunkt der Opernsaison 2001! (frs)