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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
2. Dezember 2006
(Premiere: 18.11.06)

Oper Leipzig

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Schöne heile Welt

Symbolträchtig leuchtete ein Schwan hinter der transparenten Front eines riesigen, in den Zuschauerraum blickenden Auges auf. Es ist Lohengrins Begleiter und Abgesandter aus dem Jenseits, der den Zuschauer zu einem Gedankenspiel zwischen Sein und Schein einzuladen schien. Doch was zuerst wie eine freundliche Anregung wirkte, entpuppte sich schnell als überdeutlicher Hinweis auf das unaufhaltsame Schicksal der Oper, dem auch die Inszenierung verhängnisvoll erlag.

Schon im nächsten Bild ergoss sich das Unabwendbare auf die Bühne: Schwertbestückte Männer, goldbehangene Herrscher und Frauen mit wallender Mähne traten in ein machtgeleitetes Spektakel ein. Da konnte Elsa in ihrer verzwickt naiven Schlichtheit nur vom goldgelockten Lohengrin träumen und später selbstverschuldet scheitern. Ihre (und Wagners) visionäre Kraft und metaphorische Bedeutung hatten in der Inszenierung von Steffen Piontek keinen Platz mehr. Ortrud erschien dagegen als die einzige realistisch denkende und handelnde Figur, die ihre Machtspielchen unterhaltsam auslebte. Sie war diejenige, die Politik betrieb, die Handlung vorantrieb und Elsas Naivität nur belächeln konnte.

Problematisch dabei ist nicht, dass wir uns nach einer heilen Elsa-Lohengrin-Welt sehnen, sie nicht erreichen können und deshalb Ortrud näher stehen; sondern dass diese Welt uns so jeden Tag im Fernsehen vorgegaukelt wird und zu einer blanken Fassade verkommt. Vom Wesen hinter den Dingen fehlte so manche Spur.

Wo die Sprache der Bühne kein überzeugendes Wort fand, konnte man noch auf die spannungsvolle Wirkung der Wagnerschen Musik hoffen, doch auch hier erklangen nicht immer befriedigende Ergebnisse. Axel Kobers schnell gewählte Rhythmen und scharf aufwühlenden Klänge trieben das Gewandhausorchester zur Zeigefingerposition und nahmen ihm zeitweilig die szenisch vermittelnde Ausdruckskraft. Daneben gelangen aber auch Momente sinnlicher Einkehr und melodiösen Farbenreichtums.

Zum Glück warf das keinen Schatten auf die sehr überzeugenden Gesangsleistungen. Hillevi Martinpelto (Elsa) vermochte mit bestechend klarer Stimme die feinen emotionalen Nuancen ihrer Liebe zu Lohengrin auszukosten. Und auch Stefan Vinke (Lohengrin) erwiderte diese Liebe mit einem lyrisch warmen Heldentenor. Wunderbar prägnant und ausdrucksstark stichelte Lioba Braun (Ortrud) zusammen mit Sergei Leiferkus (Friedrich von Telramund) in die glatte Kulissenoberfläche. Auch wenn der Chor der Oper Leipzig sich organisch in die Szenerie einfügte, vermochte er sie doch auf lebendigste Weise auszufüllen.

Dass Wagner selbst an seiner visionären Lebensphantasie gescheitert ist, vermag uns zwar etwas über die Oper sagen, eine Entschuldigung für die Inszenierung ist es nicht. Denn selbst wenn die in Leipzig aufgemachte Fassade einer plakativen Gesellschaft unsere Ablehnung und damit vielleicht auch Unmöglichkeit, Sehnsüchte auszuleben, provozieren könnte, muss man sich doch fragen, ob es nicht eine Möglichkeit der Darstellung gibt, die sowohl die tiefergehende Ebene des Stoffes als auch seine Brüchigkeit überzeugend verarbeitet ohne in einer platten Scheinwelt zu versinken. (mk)


Fotos: © Andreas H. Birkigt