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Deftig-triebhaft
Es ist eine Adaption einer Produktion der Vlaamse Opera Antwerpen - und
altflämisch-deftig geht es zu im versifften Treibhaus-Käfig von Johannes
Leyacker mit flämischem Landschaftsbild als monumentalem Hintergrund.
Keine Rokoko-Unterhaltung läuft ab, das Szenario beschwört eher die bukolische
Welt als die kritische Phase vor der Revolution.
Guy Joostens Regie setzt auf körperbetonte Triebhaftigkeit, die Agierenden
gehen sich - unabhängig von Stand und Rolle - an die Wäsche; für differenzierte
Empfindungen ist da kein Platz - das brodelnde Bühnengeschehen wird gnadenlos
mit den mozartschen Gefühlswelten konfrontiert.
Für die Solisten ist damit die Linie vorgegeben: chargieren bis an die
Grenze des Erträglichen, und das intensive Bemühen um die subtilen Nuancen
der mozartschen Gefühlswelten bleiben auf der Strecke: Marika Schönbergs
Gräfin verzichtet auf den zu Herzen gehenden Schmelz ihrer existentiellen
Enttäuschung: Tommi Hakala singt den Almaviva straight ohne sonderliche
Differenzierungen, Tuomas Pursios Figaro kommt kernig daher, bewegt sich
gravitätisch-paschahaft, der quirligen Ainhoa Garmendia setzt ihre Stimme
viel zu avanciert ein, um verborgene seelische Momente zu vermitteln;
Marina Comparato geht melodiös im androgynen Cherubino auf, die comprimarii
haben Chancen für publikumswirksame Auftritte.
Das hingebungsvoll zuhörende und zuschauende Publikum reagiert dankbar
auf die burlesken Scherze, akzeptiert im ausverkauften (!) Haus das sinnliche
Spiel.
Das Gewandhausorchester interpretiert unter Henrik Schaefer einen Mozart
hochdifferenziert, glänzt mit einem strömenden Streicherklang, fasziniert
durch gezielte Interventionen der Bläser und Pauken, erzählt eine "innere
Geschichte", die der brodelnden Bühnenaktion ihre kommunikative Substanz
vermittelt! (frs) |
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