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Fakten zur Aufführung 

ZAR UND ZIMMERMANN
(Albert Lortzing)
21. Februar 2010 (Premiere)

Theater Krefeld-Mönchengladbach


Points of Honor                      

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Folgen der Machtpolitik

Wunderbar: Zar und Zimmermann als Lortzing-Hommage in Krefeld! Michael Sturm inszeniert Lortzings so oft als holländische Folklore missverstandene Oper auf dem Hintergrund machtpolitischer Kontroversen, zeigt individuelle Schicksale als Produkt globaler Konstellationen, lässt den van Bett als aufgeblasen-hilflosen Provinz-Heini agieren (wem fielen da die Westerwelles unserer Zeit nicht ein?) - ohne pseudo-aktualisierend zu dekonstruieren - und überzeugt in seiner einfallsreichen Regie mit frappierenden Einfällen, wie z. B. dem Holzschuhtanz als spielerische „Reise nach Jerusalem“ mit den verpassten freien Stühlen (die Idee dazu hatte Choreograf Luis Lay).

Stefan Rieckhoff baut eine assoziations-stimulierende Bühne mit einer beherrschenden Schiffsrippe als Symbol für den angestrebten technischen Fortschritt – Zar Peters Schiffs-Modell exemplarisch permanent präsentierend.

Heinz Klaus – der Krefelder Chordirektor – übernimmt die Orchesterleitung kurzfristig für den erkrankten Kenneth Duryea - und leitet die ungemein präsenten Niederrheinischen Sinfoniker zu einem sehr differenziertem Orchesterspiel, frei von allen Klischees, die kritischen Lortzing-Passagen intensiv auslotend. Eine begeisternde Orchesterleistung!

Michael Kupfer gibt einen machtbewussten Peter, beeindruckt durch kraftvollen Bariton - und es gelingt ihm, die Zaren-Elegie als Glanz-Stück herrschaftlicher Reminiszenz bewegend zu gestalten. Markus Heinrich gelingt ein unbefangener Peter Iwanow mit ausdrucksvoller Tenor-Interpretation ohne pseudokomische Attitüde. Der kurzfristig eingesprungene Mark Bowman-Hester beeindruckt als Chateauneuf mit prima Artikulation und ohne billige schnulzige Anbiederung. Isabelle Razawi überzeugt als kecke Marie, singt mit ausgesprochen klarem Sopran, vermittelt stimmlich bemerkenswerte Klarheit. Matthias Wippich als stimmstarker Lefort und Aldo Tiziani als stimmlich kompetenter Syndham sind überzeugende Repräsentanten der außerordentlichen sängerischen Qualität des Krefeld-Mönchengladbacher Theaters! Christoph Erpenbeck - indisponiert, aber Räuspern und Hüsteln szenisch einsetzend – ist ein stimmlich nicht karikierender van Bett mit frappierender Ausdruckskraft – variabel in der Phrasierung, überzeugend in der stimmlichen Flexibilität, darstellerisch hinreißend karikierend als exemplarischer Prototyp.

Der Chor agiert ungemein spielfreudig, singt in überzeugender Übereinstimmung mit dem Inszenierungs-Konzept und vermittelt außerordentliche Bühnenpräsenz.

Das Krefelder Publikum ist äußerst angetan, reagiert auf die unerwartete Interpretation nach einigem Zaudern mit bemerkenswerter Aufmerksamkeit, bejubelt Orchester und Solisten – am Ende: Bravi für das Regieteam!

Aber dann ist da die bebrillte grauhaarige alte Dame mit der Perle im Ohr in der zehnten Reihe im sechsten Sitz rechts im Parkett zu konstatieren, die zunächst eher versteckt mit ihrem Handy fotografiert, aber gegen Ende immer dreister gegen alle zivilisierten Usancen des Opernbesuchs verstößt und sich nebenbei auch noch rechtlich strafbar macht.

Franz R. Stuke

 






Fotos: Matthias Stutte