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Fakten zur Aufführung 

THE RAKE'S PROGRESS
(Igor Strawinsky)
14. Dezember 2008
(Premiere: 6. Dezember 2008)

Theater Krefeld


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Unaufhaltsam in den Irrsinn

Die Krefelder spielen wegen der Sanierung ihres Theaters derzeit im Ausweichquartier „TaZ“, einem Provisorium, dem „Theater auf Zeit“. Da ist Igor Strawinskys The Rake’s Progress allemal eine kluge Wahl fürs Programm, lässt sich doch die szenisch angelegte Geschichte des vom Teufel (oder ist es nur sein alter ego?) namens Nick Shadow verführten Tom Rakewell auch mit wenigen bühnentechnischen Mitteln erzählen. Und so genügen Regisseur Wolfgang Lachnitt die von Harald Stieger gebauten, universell einsetzbaren raumhohen Wände mit Schwingtüren, um die Geschichte des faulen Landbewohners Tom lebendig werden zu lassen. Tom, der den Lastern der Großstadt anheim fällt und dessen Versuch, Wiedergutmachung zu üben, von der kapitalistisch geprägten Gesellschaft für irre gehalten wird. Toms Weg führt von dort ab unaufhaltsam in die Nervenheilanstalt – stetig begleitet von Ann, seiner einzigen Liebe, die ihm auch am Ende Trost spendet.

In Krefeld klappt der häufige Szenenwechsel gut, weil der engagiert singende Chor auch „Bühnenarbeiterfunktion“ übernimmt und mit wenigen Handgriffen blitzschnell eine neue Umgebung entstehen lässt. Insgesamt wird ein ebenso temporeich vorangetriebener wie besinnlicher Bilderbogen aufgeschlagen, der stringent auf die Schlussmoritat zuläuft.

Stimmlich präsentierte sich das Solistenensemble gut aufgestellt: Lediglich Timothy Simpson sang in der hier besprochenen ersten Aufführung nach der Premiere hörbar indisponiert – außer Konkurrenz sozusagen. Das kann immer passieren, dass die Stimme schlichtweg aussetzt und es nur mittels großer Anstrengung bis zum Ende geht. Simpson wird, daran besteht kein Zweifel, diese Partie mit gesunden Stimmbändern prächtig ausfüllen! Ob sich an der Intonation des Sängers – Simpson singt fast immer zu tief! – etwas bessern wird, ist eine andere Frage.

Wunderbar Dara Hobbs als Ann Trulove mit in allen Lagen warmem, liebevollem Sopran. Höhepunkt: ihre große Arie Ende des ersten Aktes („Leise, Nacht...Ich gehe zu ihm“). Christoph Erpenbeck sang als Vater Trulove sonor, mit kleinen Problemen gegen Ende, während Kerstin Brix als Türkenbab stimmgewaltig und (im besten Sinne) extrem nervend kein Monstrum ist, sondern femme fatale im Marlene-Dietrich-Outfit. Katharina Ihlefeld war die perfekte, dekadente Puffmutter Goose. Den sängerischen wie darstellerischen Höhepunkt lieferte Michael Kupfer als Nick Shadow – überlegen lasziv, lockend, schmeichelnd und drohend. Das ist mal ein Teufel von Format – und ein lupenrein intonierender, einfach rundherum klangschöner Bariton!

Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Graham Jackson nutzten die Gunst der Stunde: im beengten Raum des Provisoriums und in unmittelbarem Kontakt zum Publikum brachten sie Strawinskys wilden, grandios verwobenen Stilmix zum Blühen. Gelungene Soli vor allem von Horn und Trompete, aber auch das Spiel der übrigen Bläser und der Streicher kam trotz der trockenen Akustik gut zur Geltung.

The Rake’s Progress fordert Geduld vom Publikum – Geduld, die sich lohnt! In Krefeld indes war das Sonntagnachmittagspublikum mit den Gedanken offensichtlich zum Teil schon woanders – vielleicht auf dem Weihnachtsmarkt! (?) Es verließ in der Pause den Saal in großer Zahl – schade für diese liebevolle Theaterarbeit.

Christoph Schulte im Walde

 






Fotos: Matthias Stutte