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Fakten zur Aufführung 

DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN
(Sergej Prokofjew)
2. Oktober 2010 (Premiere)

Theater Krefeld


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Viel Wirbel auf der Bühne, überbordende Spiellaune

„Heute: Der Freischütz“- verkündet die Übertitelanlage. Doch kaum hebt sich der Vorhang, ist man mittendrin in Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen. Denn die wohl eigentlich vorgesehene Aufführung des Freischütz misslingt der Theatertruppe heftig und unterschiedliche Gruppen fordern hier ein Drama, dort eine Komödie. Schließlich einigt man sich auf das Märchen von den Orangen und es entspinnt sich eine burleskes Stück, versehen mit Typen, nicht Charakteren – immer wieder vom eingreifenden Publikum unterbrochen.
Ansgar Weigner und sein Ausstatter Robert Schrag entfalten ein temporeiches Spiel mit schnellen Szenenwechseln, ohne jedoch in sinnfreie Hektik zu verfallen.
Das Bühnenbild besteht aus Kartenhäusern und das Reich des Königs Treff bevölkern lebende Spielkarten in Anlehnung an die Herzkönigin bei „Alice im Wunderland“. Die ganze Bühne bietet ständig Hingucker, überall ist etwas los und trotzdem kommt kein Gefühl von Überfrachtung auf. Ein dickes Extralob gibt es für das Kostüm der bösen Köchin – ein Riesenweib mit Hängebauch, Netzstrümpfen und grünem Strumpfband.
Jedes Detail ist mit großer Sorgfalt gestaltet und nie wird die Rahmenhandlung – der Streit über die einzig wahre Theaterform - aus den Augen gelassen. Der kulminiert in einer innigen Liebesszene zwischen dem Prinzen und seiner Linetta, die polternd unterbrochen wird. Sofort fordert eine der beiden Gruppen die Fortsetzung des Stückes, während die andere die lyrische Szene ausweiten will.
Jeder einzelne der vom Chor dargestellten Zuschauer bekommt eine Eigenschaft – mal wird leise ein Tränchen verdrückt, mal aus Desinteresse Karten gespielt.
Das Ensemble der Bühnen Krefeld/Mönchengladbach meistert die hohen und personalintensiven Anforderungen perfekt. Das gilt besonders auch für den erweiterten Chor (Maria Benyumova und Heinz Klaus), der mit viel Freude und Engagement zu Werke ging.
Hoch motiviert auch die Solisten: Rochus Triebs als Zeremonienmeister, Nele van Deyk, Marianne Thijssens und Isabelle Razawi als allerliebstes Orangenprinzessinnen-Trio genauso wie Michael Kupfer als machohafter Teufel.
Sehr komisch kommt der stümperhafte Zauberer Tschelio von Hayk Dèinyan daher und teuflisch die böse Fee Janet Bartolova. Ebenso gemein ist ihre Gehilfin, die Sklavin Smeraldine (Susanne Seefing).
Matthias Wippich glänzt vor allem als tief singende schreckliche Köchin, die Kreide frisst, um das Zauberband zu erhalten; Markus Heinrich gibt den Truffaldino mit sicherer Stimme und gewitzt agierend, Eva Maria Günschmann und Christoph Erpenbeck sind ein herrlich böses Intrigantenpaar, während Daniel Kirch den erst maladen, dann sehr verliebten Prinzen mit schönem, leuchtenden Tenor ausstattet.
Das Sahnehäubchen dieses Theaterabends aber sind ganz ohne Zweifel die Niederrheinischen Sinfoniker unter Graham Jackson. Dem Wirbel auf der Bühne setzen sie die Krone auf. Mit überbordender Spiellaune stürzen sie sich in den Strudel der Partitur, generieren lustvollen Budenzauber und leise Liebeslyrik – das ist allererste Sahne.
Das Krefelder Publikum lässt sich mitreißen, lacht und staunt wie bei einer richtigen Commedia dell’arte. Alle Beteiligten werden heftig beklatscht, Regieteam und Orchester mit Bravi geradezu überschüttet.

Thomas Hilgemeier

 













Fotos: © Matthias Stutte