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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
28. November 2009 (Premiere)

Oper Köln


Points of Honor                      

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Mehltau

Vorgeführt wird „eine Tragödie im Paris des 19. Jahrhunderts, mit der gefallenen Schönen als Opfer der Gesellschaft mit sinnlicher Musik“ – das ist nun mal die Substanz der Traviata, und so ist es im informativen Programmheft (mit schönen Fotos!) nachzulesen. Aber über dem schablonenhaften Bühnengeschehen schwebt der Mehltau der musealen Opern-Routine.

Dietrich Hilsdorfs Regie reiht Klischee an Klischee, nur ein Toilettenvorraum plus Klofrau mit Kinderwagen sorgt für optische Abwechslung. Es entstehen keine intensiven Beziehungen, man steht singend nebeneinander und der Chor tritt auf, tritt ab – mit staunenswerter Unbeweglichkeit.

Dieter Richter stellt fin de siecle-Architektur auf die Drehbühne – ein Café, einen Spielsalon, den Toilettenvorraum: das sieht morbid aus, schafft „Stimmungen“ und kommunikative Räume – die aber nicht genutzt werden.

Markus Poschner intoniert mit dem Gürzenich-Orchester einen unausgeglichenen Traviata-Klang – bisweilen aufdringlich lautstark, bisweilen mit schwebenden Streicherklängen; bisweilen mit Näherungen zum zu vermeidenden Humptata-Klang, bisweilen den Gesang sensibel stützend.

Mit Fernando Portari präsentiert sich als Alfredo ein junger brasilianischer Tenor mit der „schauspielerischen“ Attitüde eines musealen italienischen primo uomo – stimmlich bemüht, aber ohne strahlende Höhen und ohne differenzierende Emotionalität. Georg Tichy ist ein biederer Germont, statisch als unvermittelt auftauchender, eher spießiger deus ex machina, kurzatmig intonierend, ohne faszinierendes Legato. Und auch bei der bravourös auftrumpfenden Olga Mykytenko als Violetta fehlt bei aller Stimm-Kompetenz - mit bewundernswertem Klang, leuchtenden Höhen, intensiv ausdrucksstarker Mittellage – der Mit-Leiden erregende emotionale Impetus! In den kleineren Rollen lässt Dennis Wilgenhof als Dottore eine beeindruckend sonor-ausdrucksstarke Stimme hören!

Im ehemals so aggressiven Kölner Publikum scheint sich das Prinzip Friede-Freude-Eierkuchen zu verbreiten. Lange Atempause nach dem banalen Schluss mit der hinknallenden Violetta und der – Drehbühne! – tanzenden „Society“ - anschließend wohlwollender Applaus für alle, das Regie-Team „schleicht“ sich durch Chor, Extra-Chor und Statisten beinahe unbemerkt in die Phalanx der Solisten - keine Buhs!

Vielleicht sind die früher renitenten Brachial-Kritikaster die wirklichen Freaks des Opern-Museums - wenn ja: Wie geht es dann mit der Kölner Oper weiter?

Franz R. Stuke

 








 
Fotos: Paul Leclaire