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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
6. April 2008
(Premiere: 15. März 2008)

Oper Köln


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Tannhäuser zwischen rot und weiss

Die Regisseurin Jasmin Solfaghari geht ihre erste Wagnerinszenierung erstaunlich locker an. Sie konzentriert sich auf den Konflikt zwischen Individuum und Gruppe, auf Ausbruchsversuche und Anpassungszwänge Tannhäusers innerhalb einer ganz heutigen Gesellschaft mit konservativ angepasstem Grundzug. Die großen ästhetischen und metaphysischen Themen des Stückes – Künstlertum und Politik, Religion und Erlösungsverlangen – bleiben ganz unbehelligt, die Inszenierung geht glatt und pathosfrei über die Bühne. Der Kölner Tannhäuser (Torsten Kerl) schwankt zwischen Orientierungslosigkeit und situativem Rebellentum, zwischen Ego-Trip und Getriebensein. Er ist ganz unbehaust und passt eigentlich nirgendwo hin. Schon im ersten Akt ist er mehr mutlos-todessüchtig, damit ganz ‚romantisch’, als rebellisch-optimistisch: „sei's auch auf Tod und Untergehen“ schreibt er librettogetreu als Motto für seinen Aufbruch aus dem künstlichen Paradies der Venusbergwelt als Graffiti auf eine Glasscheibe.

Die Inszenierung spielt in einem nur gering variierten Einheitsbühnenbild (Frank Philipp Schlössmann) in der Jetztzeit. Die trist–klare Glas- und Stahl-Architektur kann eine Reminiszenz an das Foyer der Kölner Oper darstellen, kann aber auch beliebig jeden modernen oder postmodernen Zweckbau repräsentieren. Im ersten Akt bleibt die Inszenierung traditionell. Venus räkelt sich auf einem mit üppigem rotem Stoff überdeckten schicken schwarzen Ledersofa: die Farbe rot im Zeichen der Erotik und des Venusbergs. Die Venus der Dalia Schaechter ist vom Typ her dominant und fordernd und es kann nicht verwundern, dass Tannhäuser dem Liebesverlangen on the long run nicht genügen kann. Es wird ihm eben „Zu viel! Zu viel!“

Im zweiten Akt entsprechen die im Sängerkrieg Auftretenden dem ‚Berufsbild’ des heutigen Sängers, optisch ist es ein schmalziger Schlagerwettbewerb mit lässigen Klamotten aus dem Showbizz, doch trotzdem organisiert in Ritualen und Hierarchien, in die sich Tannhäuser nicht einpasst. Immer wieder unterbricht er die Vorträge der Konkurrenten, lässt sich provozieren, verliert Kopf und Verstand und verletzt die ihn anhimmelnde Elisabeth (Signalfarbe: weiß) mit dem Geständnis seiner in dieser Umgebung extravaganten erotischen Vorgeschichte mit Venus. Tannhäuser wird aggressiv ausgegrenzt und flieht nach Rom. Die Szene spielt in gänzlich säkularisierter Zeit, auch hat das Glas-Stahl-Ambiente keine sichtbar religiöse Funktion. Schwierig ist in diesem Kontext die Integration des Religiösen, es sei denn, man fasst die Truppe als radikalfundamentalistische Evangelikale mit offensiv missionarischem Eifer auf. Nur so macht es Sinn, das sich der Chor im normalen Straßenoutfit Kreuzritter-T-Shirts (Kostüme: Mechthild Seipel) überzieht oder sich Elisabeth nach ihrem finalen Schnitt durch die Pulsadern ein blutiges Kreuz auf ihr Shirt malt.

Trostlos dann das Ende. Elisabeth, nachdem sie offenbar schon vergebliche Selbstmordversuche hinter sich hat, gelingt der Suizid, als sie merkt, dass Tannhäuser nicht im Kollektiv der Rompilger zurückkehrt. Auch Tannhäuser bricht wenig später tot zusammen. Die edle Halle liegt zerstört in Schutt, es gibt auch keinen ergrünenden Pilgerstab, der für eine transzendente Erlösung spricht. Tot denn alle.

Gesanglich stand es mit der Aufführung nicht zum Besten, fiel doch die Hauptperson, ab dem 2. Akt indisponiert, vokal fast aus. Torsten Kerl sang die Rolle schon im ersten Akt arg eng, gepresst und forciert. Ganz beachtlich dann, dass er in der Romerzählung am Ende zu unerwarteter Form auftrumpfte - und das auch darstellerisch. Große Freude bereitet Camilla Nylund - eine wunderbare Bühnenpräsenz, intonationssicher, die Hallenarie und ihre Selbstmordszene im dritten Akt waren die Höhepunkte der Produktion. Reinhard Dorn war ein souveräner, klangvoller Hermann. Ein Extralob gilt Miljenko Turk als Wolfram. Spielfreudig in der Szene, mit klangschönem Bariton, ragte er aus der Formation der "Minnesänger" - Musa Nkuna (Walter von der Vogelweide), Andrés Felipe Orozco Martinez (Heinrich der Schreiber), Daniel Henriks (Biterolf) und Wilfried Staber (Reinmar von Zweter) – deutlich heraus. Beeindruckend auch Susanne Niebling als ‚junger Hirt’ – wie Andrés Felipe Orozco Martinez Mitglied des Kölner Opernstudios.

GMD Markus Stenz dirigierte den Tannhäuser schlank und mit zügigen Tempi, wozu die überarbeitete Dresdner Fassung von 1847 (mit Venusauftritt im dritten Aufzug) auch besonders geeignet ist. Die uninszenierten Aktvorspiele geraten Stenz zu effektvoll musizierten Konzertstücken, was nach der Eingangsouvertüre sogar zu wagnerfernem Zwischenapplaus führte. Das Gürzenich Orchester Köln, in den letzten beiden Jahrzehnten allein schon durch zwei anspruchsvolle Ringzyklen auf Wagner bestens eingestellt, meisterte auch den Tannhäuser souverän. Tadellos auch Chor und Extrachor der Oper Köln, ein wesentliches Element beim Tannhäuser, unter der Leitung von Andrew Ollivant: homogen und bestens präpariert.

Bei Mängeln im Detail ist die Inszenierung nicht so schlecht, wie sie mittlerweile allenthalben gemacht wird; welche Tannhäuser-Inszenierung kommt schon ohne Widersprüche und Unzulänglichkeiten aus? Sie ist nicht tiefschürfend, eröffnet keine neuen Perspektiven, ist aber handwerklich durchaus gut gemacht und konsequent durchgehalten, gesanglich souverän bis herausragend aufgestellt. Und das Gürzenich-Orchester Köln lohnt bei Wagner ohnehin.

Als indisponiert erwies sich leider auch das Publikum in der ausverkauften Kölner Oper: je leiser die Musik, desto rücksichtsloser wurde gehustet. Am Ende großer, uneingeschränkter Beifall.

Dirk Ufermann