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Die Idylle wird zum Grauen, der Jubel
zur Depression: Kölns "Siegfried" gerät zum beklemmenden Szenario der
postindustriellen Ausweglosigkeit. Robert Carsen inszeniert den "Naturburschen"
als Sinnsuchenden in zerstörter Natur, zeigt Mime als schlitzohrigen Schrotthändler,
Wotan als schließendlich gescheiterten Paten und Brünhilde als skeptische
Braut.
Patrick Kinmoths Bühnenlandschaft ist ein desolater Schrottplatz als Mimes
Werkstatt, eine desaströse Ansammlung vernichtete Baumstämme vor Fafners
Höhle und eine leere Fläche zwischen rostigen Platten als desolaten Begegnungsort
von Siegfried und Brünhilde.
Jeffrey Tate gelingt mit dem fulminanten Gürzenich-Orchester - abgesehen
von einigen Einsatzpatzern! - eine faszinierende Performance: die pastoralen
Passagen brechen in extreme Dissonanzen, die zerstörten Individuen finden
orchestrale Entsprechungen; insgesamt eine selten gehörte Realisierung
der Forderung nach "Musik als Kommunikation"!
Gerhard Siegel ist in diesem Kontext als Mime eine überwältigend kaputte
Existenz, Christian Franz lebt den Naturburschen mit aller romantisch-gebrochenen
Unbefangenheit, Alan Titus ist als Wotan der Machthaber im Hintergrund,
unnahbar selbstsicher, aber zutiefst am Ende, und Renate Behle ist schon
jetzt die betrogene Brünnhilde. Und alle singen auf höchstem Niveau!
Das Nicht-Premieren-Publikum in Köln ist durchaus begeisterungsfähig und
Connaisseurs bestimmen hingebungsvoll den Applaus - doch das moving auf
scheinbar freie Plätze nach den Pausen lässt die kultivierte Contenance
vermissen. (frs) |
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