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Fakten zur Aufführung 

SAMSON ET DALILA
(Camille Saint-Saens)
9. Mai 2009 (Premiere)

Oper Köln


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Krieg und kein Ende

Religiös motivierte Gewalt, fanatisierte Kämpfer, aus denen die 'Stimme des Herrn' spricht, der ein 'Gott des Kampfes' und ein 'rächender Gott' ist, bilden den Hintergrund von Camille Saint-Saëns' Oper Samson et Dalila, entstanden in der Zeit von 1859 bis 1876 – im Zuge einer Welle des Orientalismus, die damals alle Kunstgattungen erfasst hatte.

Liest man das stellenweise martialische Libretto von Ferdinand Lemaire nach einem alttestamentarischen Stoff, der auf einem Platz in Gaza in Palästina spielt, drängt sich die bittere Tagesaktualität unweigerlich auf: Zweifel an der Lernfähigkeit der Menschheit und am Fortschrittsoptimismus jeglicher Couleur scheinen hier mehr als angebracht. Tilman Knabe weicht dem in seiner schon im Vorfeld viel diskutierten und von einem Exodus von Choristen und Solisten begleiteten Inszenierung nicht aus. Er siedelt die Handlung in einem aktuellen Kriegsgebiet an; Maschinengewehrsalven, Bombeneinschläge, Schreie von Verwundeten begleiten die ganze Aufführung. Wie Saint-Saëns und Lemaire nimmt Knabes Interpretation nicht Partei, sie zeigt, wie erbarmungslos und zynisch Sieger mit ihren Opfern umgehen: siegen im Wechselspiel der Macht die Hebräer, werden die Philister zu gedemütigten Opfern, siegen im dritten Akt - nach der Überlistung von Samson durch Dalila - die Philister, sind es die Hebräer, mit denen brutal bis zum finalen Exzess umgesprungen wird. Am Ende reißt Samson - in der aktualisierenden Lesart als mit Sprengstoff gepanzerter Selbstmordattentäter – sich selbst und die Sieger in den Tod.

Damit es gleich unmissverständlich klar wird, worum es geht, startet die Aufführung mit dem krachenden Einschlag einer Bombe, gefolgt von der klagenden Ouvertüre. Der erste wie der dritte Akt spielt in einer wüsten Trümmerlandschaft (Bühnenbild: Beatrix von Pilgrim, Kostüme: Kathi Maurer), verbogene Stahlträger und Mauerreste bilden das Ambiente für die Auseinandersetzung von Hebräern und Philistern. Knabe benutzt Elemente der Filmästhetik: Akte und Szenen werden wie durch eine große Kameralinse auf- und zugeblendet. Es gibt verschiedene Geschwindigkeitsebenen, der Gewaltexzess im ersten Akt – die beiden Ballettszenen im ersten und dritten Akt sind bei Knabe aggressive Gewaltszenen - erfolgt etwa stilisiert in Zeitlupe. Das Stück läuft mit extrem hohem schauspielerischen Anteil auch fast filmreif ab und ist einheitlich spannend durchinszeniert. Die Personenregie integriert das Personal von Solisten, Chor, Extra- und Bewegungschor ganz ausgezeichnet und intensiv in das Gesamtbild der Inszenierung (Bewegungstraining: Peter Pruchniewitz). Der Samson des Ray M. Wade jr. bringt die vielschichtigen Aufgaben der Rolle (Sieger- und Führertyp, Gottesfürchtiger, Liebender, Zweifelnder, Verlierer und abgefeimter Attentäter) sängerisch wie schauspielerisch gleichermaßen glaubhaft auf die Bühne. Die Dalila ist in der Premiere krankheitsbedingt mit einer Doppelrolle besetzt: Ursula Hesse von den Steinen, von ihrem grippalen Infekt, wegen dem die Premiere schon um eine Woche verschoben wurde, noch nicht wieder genesen, spielt die Rolle zwar stumm aber trotzdem hochintensiv und mit mitreißender schauspielerischer Emphase. Irina Mishura – sie sang die Dalila 2000 als ihr Debut an der New Yorker Met an der Seite von Plácido Domingo – lieh ihr die Stimme: eine Idealbesetzung, die die Abgründe der Rolle, das doppelbödige, von Hass getragene Verführungsgeschäft überwältigend gestaltet. Auch die weiteren Rollen bewegen sich auf für Kölner Verhältnisse bewundernswert hohem Niveau: Der Oberpriester des Egils Silins, Wilfried Stabler als Abimelech und Markus Hollop als alter Hebräer.

Das Gürzenich Orchester unter der Leitung von Enrico Delamboye erweist sich als von Anbeginn an inspiriert, hochgespannt und in exzellenter Form. Ergreifend gleich der Klageton der Ouvertüre. Unbedingt hervorzuheben sind die berückend schön aufspielenden Holzbläser. Eindrucksvoll auch der Chor, wie immer er auch jetzt zusammengesetzt ist: Samson et Dalila ist ganz wesentlich auch eine Choroper. Beeindruckend nahtlos integriert sich auch der umfangreiche Bewegungschor in das Konzept der Inszenierung.

Am Ende: Große Begeisterung und stehende Ovationen für eine so spannende wie überzeugende, glänzend besetzte und großartig musizierte Aufführung, begleitet nur noch von wenigen Protesten.

Dirk Ufermann

 




 
Fotos: Klaus Lefebvre