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Fakten zur Aufführung 

STABAT MATER
(Giovanni Battista Pergolesi)
OEDIPUS REX
(Igor Strawinsky)
3. Januar 2009
(Premiere: 6. Dezember 2008)

Oper Köln


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Ein Pergolesi–Strawinsky-Doppelabend an der Kölner Oper

Zwei selten zu hörende Meisterwerke der lateinischen Musik verknüpft das Kölner Opernhaus zu einem so überraschenden wie überzeugenden Abend: Giovanni Battista Pergolesis Kirchenkantate Stabat Mater (1736) und Igor Strawinskys Opernoratorium in zwei Akten Oedipus Rex (1927).

In Köln hatte Oedipus Rex schon einen wichtigen Rezeptionsimpuls bekommen: mit diesem Werk wurde 1951 das WDR-Funkhaus am Wallraffplatz unter Leitung des Komponisten eröffnet, was in einer legendären Aufnahme mit Peter Pears und Martha Mödl bis heute weiterwirkt.

Beide Werke haben trotz ihrer grundsätzlichen Heterogenität - aufgrund von zweihundert Jahren Zeitdifferenz hinsichtlich ihrer Entstehung und der kirchlichen und weltlichen Genese - doch eine Reihe Bezugspunkte, die es wirkungsvoll erscheinen lassen, sie zu kombinieren. Zuerst liefert das Lateinische die sprachliche Einheit. Dann liegt beiden Werken ein klagender Gestus zugrunde: die Klage um den verlorenen Sohn bei Pergolesi und die Klage um das Ausgeliefertsein an die erbarmungslosen Götter von Ödipus und seiner Sippe bei Strawinsky. Formal sind beides gattungstranszendierende Werke, die Oper und Kirchenmusik aufeinander zuführen. Pergolesi integriert Opernhaftes und 'Weltliches' in seine Kirchenkantate, Strawinsky kantatenhaft Statuarisches in seine Oper. Nicht zuletzt ist Strawinsky „seit je her“ Pergolesianer, was etwa zu seiner Pulcinella-Ballettmusik (1920) als neu orchestriertem Pergolesi geführt hat.

Stabat Mater wird in Köln quasi konzertant gegeben. Im leicht erhöhten Orchestergraben agieren für alle sichtbar der Kölner GMD Markus Stenz, das auf ein Streichorchester und Continuo reduzierte Gürzenich-Orchester sowie die beiden Solistinnen. Das Gleichgewicht zwischen Musik und Gesang ist so perfekt austariert. Man hat eine getragene, 'romantische' Sichtweise gewählt, ganz unbeeinflusst von der historisierenden Aufführungspraxis, was ja nicht illegitim ist. Insgesamt ist es eine sehr klangschöne Interpretation. Die beiden Vokalpartien integrieren sich ganz prächtig, ausdrucksstark gesungen von Claudia Rohrbach (Sopran) - eine vor der Vorstellung bekannt gegebene Indisposition tangierte überhaupt nicht - und Adriana Bastidas Gamboa (Mezzosopran). Von dieser musikalischen Perfektion setzt sich deutlich eine „szenische Realisation“ (Karsten Barthold) ab. Die Statisterie der Kölner Oper zeigt in Andachts- und Trauerposen in belangloser Lichtregie einen hilflosen Versuch einer Bebilderung des christlichen Stoffes, der die Intensität der Musik jedoch nicht minderte. Ein Handlungsballett ist auch nicht die eigentliche Aufgabe der Statisterie.

Oedipus Rex gelingt szenisch schon besser. In einem Bühnenbild von Kerstin Faber, das sich an die traditionelle Oedipus Rex-Inszenierungsgeschichte von Dülberg bis Robert Wilson anlehnt, ist der Chor auf zwei Tribünen platziert, die den Handlungsraum davor und dazwischen einengen. Eine variabel eingesetzte dritte Tribüne dient den Auftritten des Oedipus. Die Personenregie ist plausibel, folgt im Prinzip dem statuarischen Charakter des Werkes. Schön anzusehen auch die Kostüme von Hanna Eckardt.

Was aber auch diesen Teil des Abends so grandios macht, ist die Musik. Man hört sofort, dass Strawinsky bei Dirigent, Orchester und Solisten in den besten Händen ist. Leicht, agil, spannungsgeladen und hellwach, mit Sinn für den Anspielungsreichtum und die Ironie, aber auch für die resignative Trauer geht es durch die Partitur. Der von Andrew Ollivant bestens präparierte Männerchor, zusammengesetzt aus Mitgliedern des Kölner Opernchores und des WDR-Rundfunkchores Köln, wird dem Monumentalcharakter des Librettos ganz ausgezeichnet gerecht. Stark und homogen auch das Solistenensemble, allen voran Hans-Georg Priese als Oedipus, Dalia Schaechter als Jokaste und Miljenko Turk als Bote. Krister St. Hill (Kreon), Mischa Schelomianski (Tiresias) und Johannes Preißinger (Hirte) verleihen auch den Nebenrollen glaubwürdig und engagiert Profil. Markus Heinicke in der Schauspielerrolle des Conferenciers findet genau den richtigen lockeren, dadurch vom Geschehen abgegrenzten Ton zur Vermittlung des Stoffes. Trotzdem ist es ein Verlust, dass bei Oedipus Rex auf die deutsche Übertitelung verzichtet wurde, die bei Stabat Mater noch für notwendig erachtet worden war.

Sei noch erwähnt, dass diese Produktion als kurzfristiger Ersatz für ein geplatztes Uraufführungsprojekt fungiert: Adrianas Fall von Marc-Aurel Floros konnte aus Krankheitsgründen des Komponisten am 6. Dezember 2008 nicht zur Aufführung kommen.

Überaus erschütternd allerdings der Zuspruch des Kölner Publikums. Das Kölner Opernhaus war schätzungsweise nur zur Hälfte besetzt. Am Ende sehr herzlicher, uneingeschränkter Beifall.

Dirk Ufermann