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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)
20. September 2009 (Premiere)

Oper Köln


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Oper für alle

Wagners Meistersinger als Einstand! Uwe Eric Laufenberg traut sich was und stemmt zu Beginn seiner Intendanz gleich einen dicken, mit durchaus problematischer Geschichte beladenen Brocken auf die sanierungsbedürftige Bühne am Offenbachplatz. Laufenberg ist gebürtiger Kölner – und holt das Stück genau hier hin. Wagners vokaler Wettstreit um das schönste Lied in der Domstadt am Rhein.
Aber was ist schön? Geht es beim Schönen um die Einhaltung überkommener Regeln – oder nicht gerade um deren Überbietung, um den Gewinn neuen künstlerischen Terrains? Die Meistersinger-Geschichte ist bekannt, Stolzings Preislied macht das Rennen, der Wettbewerbs-Quereinsteiger bekommt seine Lorbeeren und Eva, Pogners Tochter.
Laufenberg macht aus den Meistersingern eine Zeitreise, die im spätgotischen Köln (es könnte auch Nürnberg sein...) beginnt, sich sprunghaft ins Revolutionsjahr 1848 begibt, zu Anfang des dritten Akts dann die 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts aufsucht. Das ist nicht unbedingt spannend, eher etwas dröge. Vielleicht mal abgesehen von der Prügelszene nebst –Fuge, in der sich die patrouillierende Polizei dazu hinreißen lässt, die sich nächtlich zusammenrottende Menge kurzerhand niederzukartätschen. Vermutete Revolution – im Keim erstickt!
Interessant und spannend ist eigentlich nur der letzte Teil des dritten Akts, alles davor wirkt breit und behäbig, wenn nicht gar betulich. Da nämlich wird’s lebendig und ganz modern: „Oper für alle“ heißt das Motto. Und diese Devise wird ausgegeben draußen vor der Tür, auf Kölns Offenbachplatz! Tobias Hoheisel holt die Fassade des Kölner Opernhauses auf die Bühne. Die Aspiranten auf den Sieg beim Sängerwettstreit werden von Fernsehkameras sekundiert und kommen erst als Videoprojektion, dann leibhaftig auf die Bretter. Drumherum volksfesthaft viele bunte Leute. Da ist eine Menge Action, da ist viel los. Zwischendurch eine Sequenz von bewegten Bildern auf der Leinwand, die uns die Segnungen der Nachkriegszeit in Erinnerung rufen bis hin zur Landung auf dem Mond. Und dann hält Hans Sachs seine „deutsche“ Rede gegen den „welschen Dunst und welschen Tand“. Die bricht Laufenberg ganz krass mit Aufnahmen, auf denen in Köln einerseits die Nazi-Fahnen heftig wehen, andererseits die vernichteten Menschen in den Konzentrationslagern mit ihren verzweifelten Blicken sichtbar werden. Für Laufenberg ist es keine Frage, wohin es führt, wenn die „Ehre“ für die „deutschen Meister“ einen allein selig machenden Anspruch reklamiert. Und diese Mahnung kommt an.
Musikalisch geben sich Kölns Meistersinger ordentlich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Markus Stenz trifft mit dem Gürzenich-Orchester weitgehend den süffig-breiten Wagner-Ton, mitunter wackelt das Timing zwischen Bühnengeschehen und Spiel des Orchesters. Bjarni Thor Kristinsson mobilisiert für die Darstellung des Veit Pogner seinen profunden, raumgreifenden Bass; Carsten Süß ist als Sachsens Lehrbube stimmlich wie darstellerisch ganz quirlig; Dalia Schaechter macht als Magdalena eine gute Figur; ihren „Schützling“, Pogners Töchterchen Eva, gibt Astrid Weber anfangs eher schüchtern und in der Tiefe etwas zu schwach, schwingt sich erst im dritten Akt auf zu Tönen mit klanglich durchdringender Substanz, leider aber reichlich textunverständlich. Als Sixtus Beckmesser steht Johannes Martin Kränzle auf der Bühne. Er kostet seine Funktion als Hüter der so hehren Tradition weidlich aus, lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass er selbst sich am liebsten an Evas Seite sähe. Robert Holl schlüpft in die zentrale Rolle des Hans Sachs. Und er füllt sie völlig überzeugend mit seinem warmen, intensiven und fülligen Bass.
Einer ist von Anfang bis Ende der langen Oper ein Mensch von heute: Walther von Stolzing. Der betritt schon vor Beginn der Ouvertüre das Parkett, quasselt noch an oder mit seinem Mobiltelefon, mahnt das Publikum, dergleichen die nächsten fünfeinhalb Stunden nicht zu tun – und taucht ein ins mittelalterliche Köln mit all seinen Repräsentanten. Marco Jentzsch gibt sein Rollendebut als Stolzing. Und er macht das fabelhaft. Man merkt ihm an, dass er aufgeregt, vielleicht nervös ist. Die Anfangstöne der meisten seiner Phrasen flackern leicht – aber sein Tenor hat Kern, hat Leuchtkraft, vielleicht noch mehr, als just an diesem Premierenabend spürbar wird. Jentzsch, so darf man mutmaßen, wird in diese Rolle hineinwachsen und sie dann noch weitaus überzeugender darstellen. Buhs jedenfalls, wie sie ihm beim Schlussapplaus vereinzelt entgegengeschleudert wurden, hat dieser Sänger auf gar keinen Fall verdient. Weil sie erstens nicht honorieren, was er über weite Strecken toll und anrührend geboten hat; und zweitens, weil Buhs gegenüber den singenden Künstlerinnen und Künstlern sich ganz generell nicht gehören.
Kritik wäre demgegenüber auf jeden Fall angebracht angesichts der Tatsache, dass in Köln auf die Übertitelung verzichtet wird. Erstaunlich! Was in Gießen und in Osnabrück längst Standard ist, sollte doch auch in Köln selbstverständlich sein. Es sei denn, man wartet mit einem Ensemble auf, das durch und durch textverständlich agiert. Davon aber kann in diesen Meistersingern bei weitem nicht die Rede sein.
Kölns Publikum reagiert auf Laufenbergs Einstand mit Wagner sehr positiv – auch wenn zur ersten, dann erneut zur zweiten Pause sich die Reihen ein wenig lichten. Wer bis zum Schluss durchhielt, erlebte jenen Schwung, den die beiden ersten Akte vermissen ließen.

Christoph Schulte im Walde

 








 
Fotos: Monika und Karl Forster