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Brüche
Wagners Musik artikuliert Erinnerungen, Trauer, Entsetzen, Hoffnungen
- und das Gürzenich-Orchester erzählt die Tragödie der Menschen und der
leidenden Welt. Jeffrey Tate dirigiert hochsensibel, lässt die Emotionen
toben - der Trauermarsch wie ein Aufschrei - und tiefe Gefühle lodern
- Brünhildes Schlussgesang.
Robert Carsens Inszenierung setzt auf Brüche - Brüche in der Zeit (der
erste Akt in diktatorischen Zwanzigern, das Ende in einer zerstörten Zivilisation),
Brüche in den persönlichen Schicksalen (Siegfried mit seiner verlorenen
Erinnerung, Brünhilde mit ihren getäuschten Hoffnungen, Gunther und Hagen
mit ihren unerfüllten Ambitionen).
Die Bühne von Patrick Kinmonth wirkt in ihren faszinierendem Widerspruch
von Monumentalität (der riesige Herrscher-Schreibtisch Gunthers) und absoluter
Leere am Schluss ungemein zwingend, lässt Raum für existentielle Verstrickungen.
Mit Christian Franz ist ein permanent reflexionsfreier Söldnercharakter
zu erleben, souverän im Spiel, stimmgewaltig mit vielen Facetten in den
Zwischentönen - eine hinreißende Vorstellung: Jayne Casselman gibt der
verzweifelten Brünhilde außerordentliche Statut, beweist riesige Stimmkompetenz
wie auch Doris Soffel als rhetorisch scheiternde Waltraute! Beeindruckend
Samuel Youn als untypisch kraftstrotzender Gunther; Danie Sumegis Hagen
dröhnt etwas hohl, interpretiert den gescheiterten Retter der alten Strukturen
mit großer Intensität. Ute Dörings Gutrune ist das ausweglose Opfer der
gebrochenen Männer-Welt, Oskar Hillebrandt ein fast verzweifelter Alberisch.
Den drei Nornen (Dalia Schaechter, Viola Zimmermann, Friederike Meinel)
und die Rheintöchter Ausrine Stundyte, Regina Richter, Joslyn Rechter
garantieren ein überaus sängerisches Niveau.
Die hochkarätige Aufführung ist in der Oper Köln nicht ausverkauft, das
Publikum bejubelt in seiner Mehrheit das Geschehene, Gehörte und Verstandene
- schade, dass es einige Frohnaturen nicht abwarten können, ohne Applaus
ihre Plätze so schnell wie möglich zu verlassen. (frs) |
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