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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
27. Juni 2010 (Premiere)

Oper Köln


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Im Hotel

Uwe Eric Laufenbergs Don Giovanni ist weder ein Dämon in Menschengestalt noch ein anarchisch-freiheitsstrebendes Individuum. Laufenbergs Don Giovanni will Spaß – möglichst viel und möglichst oft. Er hat genügend Knete und logiert in einem Luxushotel, schafft sich seine Frauen per App heran. Ein ganz moderner Typ also mit ganz moderner Technik. Wenn gar nichts anderes geht, nun ja, dann legt er halt die türkische Putzfrau Zerlina flach, die vermutlich froh ist, einer Zwangsehe mit Masetto (dem Hausmeister?) zu entkommen

Laufenberg verlegt das Ganze hinein in die Welt der aktuellen Spaßgesellschaft, erzählt die Geschichte eines ihrer typischen, stets den nächsten Kick ansteuernden Protagonisten - und jener, die dazu auch notwendig sind: Hauspersonal, Raumpflegerinnen und so weiter. Gisbert Jäkel (Bühne), Antje Sternberg (Kostüme) und Gil Sperling (Video) schaffen dazu ein absolut stimmiges Ambiente.

Don Giovanni scheitert nicht an seiner moralischen Verworfenheit, sondern am Überdruss und der Erkenntnis, dass doch nicht alles nach seinem Willen geht. Der von ihm zerstückelte (oder zumindest zerstückelt gedachte und gewünschte) Komtur ist am Ende wieder heile - und er selbst, Don Giovanni, hat ausnahmsweise einmal nicht bekommen, was er wollte.

Schöne und aussagekräftige Bilder gelingen Laufenberg, etwa dann, wenn sich Donna Anna mit Giovanni im Lotterbett wälzt und gleichzeitig Ottavio ihr die Treue schwört... Ansonsten erheitern immer wieder die Momente der (vordergründigen) Aktualisierung: Live-Kameras überwachen das Hotel mitsamt der Bewegungen der in ihm lebenden Personen. Wenn Leporello seine Registerarie anstimmt, konsultiert er das Adressbuch seines Handys. Die eroberten „Mille tre“ in „Espana“ werden punktgenau mit Nadeln á la googlemaps aufgezeigt. Das ist nett und reizt zum Schmunzeln.

Laufenberg und sein Team rutschen das eine oder andere Mal aber auch ins Klischee und Unglaubwürdige ab. Der Türken-Clan aus Köln-Chorweiler erscheint etwas dick aufgetragen, beim Verkünden der „Liberta“ werden in einem Hawaii-Panorama mit Palmen die Schleier gelüftet und so was wie freie Liebe praktiziert. Insgesamt jedoch gelingt dem Regieteam eine sehr flüssig und stimmig erzählte Geschichte - ohne die oft auftauchende Zähigkeit im zweiten Akt.

Markus Stenz liefert mit dem Gürzenich-Orchester ordentlichen Mozart-Klang. Nicht mehr. Schon zur Ouvertüre macht sich ein indirekter Klang breit, wie in Watte getaucht, im weiteren Verlauf ohne markante dynamische Spitzen, ohne forcierte Dramatik, wohl aber mit ganz subtiler Piano-Kultur wie in Don Ottavios „Dalla sua pace“. Und da sind wir bei den echten Qualitäten dieser Inszenierung: den Stimmen! Kölns Don Giovanni ist eine Glanzleistung des Ensemble-Gesangs. Acht Individuen, die sich wundervoll ergänzen. Mozart punktet mit diesen Stimmen als Komponist höchst anspruchsvoller Ensembles. Komische Situationen, tragische Momente – all das kommt durch und durch glaubwürdig über die Rampe. Fantastisch Christopher Maltman als eroberungsfreudiger Giovanni-Dandy mit durch und durch beweglicher Stimme. Mikhail Petrenko gibt dessen leidensfähigen Kompagnon Leporello, ausgeglichen durch alle Register seines Baritons. Perfekt besetzt die Zerlina mit Claudia Rohrbach: ein lupenrein intonierender Sopran, jung, kraftvoll, den Charakter der Figur genau treffend. Ihr Lover Masetto: Wolf Matthias Friedrich macht daraus den Ballonseiden-Proll mit leicht angerautem Organ. Das Gegenteil davon ist Mirko Roschkowski, ein balsamischer, in der Höhe stets sicherer Tenor, der die Schlichtheit Don Ottavios glaubwürdig widerspiegelt. Maria Bengtsson als Donna Elvira trumpft auf mit ihrem sehn- und rachesüchtigen „Mi tradi“, Nikolai Didenko ist ein Furcht einflößender Commendatore. Doch das absolute vokale Highlight ist Donna Anna: Simone Kermes durchlebt diese Rolle mit allen Fasern ihrer Persönlichkeit, mit Herz, Muskel und Hirn. Betörend ihr Piano, ihr Pianissimo. Das sind Momente, in denen dem Publikum das Blut in den Adern gefriert.

Beim stürmischen Premieren-Applaus wird Kermes ganz klar herausgestellt. Die übrigen Ovationen gelten indes ungeteilt dem gesamten Ensemble. Nach der Kölner Spielzeiteröffnung mit Die Meistersinger von Nürnberg, inszeniert von Uwe Eric Laufenberg und durchaus kontrovers beurteilt, ist Laufenbergs Don Giovanni ein Riesenerfolg.

Christoph Schulte im Walde

 











Fotos: Monika und Karl Forster