Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE ZAUBERFLÖTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
18. Dezember 2010
(Premiere: 11. Dezember 2010)

Oper Köln


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Werktreu und wertvoll

In der Premiere von Kölns neuer Zauberflöte schien es vergangenes Wochenende mächtig geklappert zu haben. In der vierten Vorstellung präsentierte sich Mozarts volksnahes Werk jedoch von seiner besten Seite mit einem spielfreudigen Ensemble sowie einer schlichten, aber auf den Punkt gebrachten Inszenierung und einer tollen Orchesterleistung.

Sicher ist die Aula der Universität Köln auf dem ersten Blick kein unbedingt perfekter Ort für eine Opernaufführung. Während man in den Gängen ziemlich genau unterscheiden kann zwischen Besuchern der Aufführung und Studenten in ihrer Spätschicht, kann der Zuschauer wählen zwischen der provisorischen Lobby hinter der Aula und dem Kaffeeautomaten unten im Keller. Die Aula selbst ist von der Anordnung der Sitzplätze her bestens geeignet um zuzuschauen, denn der aufsteigende Raum vermeidet in den meisten Fällen, dass der Kopf des Vordermanns auf gleicher Augenhöhe mitwippt. Kaum hatte man auf seinem Holzklappstuhl Platz genommen, griffen die meisten instinktiv zu dem Holztischchen vor sich und klappen es aus, um Programmhefte, Arme oder sogar den Kopf darauf zu platzieren. Die Aula schient bei jedem das Verhalten eines Studenten zu wecken.

Hyun Chu hat diesem Ort eine Bühne gegeben, die sich nahezu nahtlos mit dem Gebäude verbindet. Von der eigentlichen Empore ausgehend hatte sie einen großen, runden Steg in den Raum hinein gebaut, das Orchester saß mittendrin in einer Vertiefung, der Dirigent schaute Richtung Publikum. Ein zusätzlich hinzugefügtes Bühnenportal verpasste der Aula endgültig den Charme eines echten Theaters. Mit ein paar Vorhängen, passender Beleuchtung (Nicol Hungsberg) sowie schlichten, aber aussagekräftigen Kostümen (Susanne Füller) war der Weg der Inszenierung von René Zisterer vorgegeben. Denn der erzählte eine wirklich schöne Zauberflöte in stimmigen Bildern, die die Prädikate werktreu und wertvoll verdient hat. Da auch der Zuschauerraum mit einbezogen wurde, waren sowohl die Personen als auch der Text sehr präsent. Hier konnte bedenkenlos die gesamten Familie, jung und alt aus dem ganzen Land, die Vorstellung besuchen, denn es fand keine tiefenpsychologische Deutung des Werkes statt, sondern die Personen entfalteten sich in ihrem Kontext, in passenden Bewegungen und den dazu gehörenden Stimmen:

Sarastro bewegte sich mit großer Ruhe, strahlte aber auch in der allzu großen Stimme von Stefan Kocán viel Autorität aus, die der Figur auch eine unterschwellige Bedrohung verlieh. Der Bass mit schwarzem Timbre war am besten hinter dem Orchester aufgehoben, denn vorne am Publikum war seine Resonanz in der klaren Akustik des Raumes doch sehr übermächtig. Jeanette Vecchione gestaltete ihre Königin der Nacht mit stolzen Tönen und sternenklaren Höhen, zeigte ihre Mutterängste in der Rachearie auch von ihrer hysterischen Seite. Ein stolzer Jüngling war der Tamino von Lothar Odinius mit wirklich edlem, wunderschönem Timbre, ein Tenor voller strahlender Begeisterung, aber zu auch leisen Zweifeln fähig. In der Höhe hörte man ganz selten noch die Reste einer Erkältung, die ihn am Donnerstag noch zum Pausieren gezwungen hatte, ansonsten bot er eine Idealbesetzung. Ebenso auch der körperlich wendige Papageno von Moritz Gogg, der sich mit dosiertem, nie aufgesetztem Wiener Charme in die Herzen des Publikums spielte. Eher ungewöhnlich, aber nichtsdestotrotz doch sehr gut war sein dunkles, viriles Timbre in der Rolle, wo man in den letzten Jahren vermehrt den hell timbrierten lyrischen Bariton gehört hatte. Zwischen diesen handfesten Männern war der Kontrast groß und effektvoll zu der schlanken Pamina von Krenare Gashi. Ihre wundervoll beseelt klingende Pamina war noch nicht ganz Erfüllung dessen, was ihre grandiose Micaela zum Ende ihrer Studienzeit in Detmold versprochen hatte, da sie sich szenisch und vokal noch leicht gehemmt in der Rolle bewegte. Trotzdem sang sie sich im Laufe der Aufführung zunehmend freier, so dass man spätestes im Quartett mit den drei Knaben einen Höhepunkt erlebte, an dem auch die drei Solisten des Tölzer Knabenchores großen Anteil hatten: Für die Leistung von Tam Tismer, Christian Schäfer und Daniel Adler gab es am Ende zurecht laute Bravo-Rufe, die ihren Part mit musikalischer Präzision und mit kindlicher Leichtigkeit erfüllten. Durch die Kostüme waren sie als die jüngeren Ausgaben von Papageno und Tamino gekennzeichnet, was ihre Rollen auch deutlich aufwertete.

Auch der Rest des Ensemble erledigte seine Aufgaben mehr als nur rollendeckend: Stellvertretend seien die frische Papagena von Maike Raschke sowie der markante Sprecher von Wilfried Staber genannt, sowie der herrliche Chor der Oper Köln (Einstudierung: Andrew Ollivant). Unbedingt erwähnenswert war auch die Homogenität der Drei Damen (Susanne Niebling, Adriana Bastidas Gamboa und Katrin Wundsam).

Seinen Zauber erhielt der Abend durch die Leitung von Modestas Pitrenas und durch das Gürzenich Orchester Köln, dessen fast romantisch anmutendes Klangbild nur durch kleine Unsauberkeiten gestört wurde. Pitrenas setzte auf ein opulentes, aber dennoch flexibles Spiel der Instrumente, ließ Blech und Pauken akzentuiert zupacken und war zugleich den Sängern ein aufmerksamer Begleiter. Mit vielen Differenzierungen untermalte das Orchester die Szene mit zusätzlichen Farben und Stimmungen, demonstrierte zugleich auch die nötige technische und rhythmische Sicherheit. So stachen die Achtel der Ouvertüre wie präzise Nadeln, was leider nur die Hälfte des Publikums mitbekam, da die andere Hälfte noch damit beschäftigt war, das Geschenk der Oper Köln auszupacken: Ein faltbares Opernglas, das auch noch im Laufe des Abends ein Störfaktor wurde, da es in jeder Reihe mindestens einmal zu Boden fiel.

Die etwas lockere Atmosphäre der Aula war vielleicht Schuld daran, dass das Publikum fast zehn Minuten brauchte um zur Ruhe zu kommen, doch dann herrschte die konzentrierte Ruhe bei den Erwachsenen und das Mitfiebern bei den mitgebrachten Kindern, von denen manch einer auch die Arie der Königin schon mitsummen oder die Eltern in Sachen Inhaltsangabe korrigieren konnte.

Die Oper Köln jedenfalls ist auf ihrer Reise mit der Zauberflöte in der Aula angekommen. Wo manch einer sich über eine völlig normale Inszenierung aufregen mag, freuen sich die anderen darüber, dass Schikaneders Texte auch heute noch zünden, wenn sie denn so lebendig vorgetragen werden. Ein wundervoller Abend für Köln und für Mozart.

Christoph Broermann














 
Fotos: Matthias Baus