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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
29. März 2009
(Premiere: 21. Februar 2009)

Theater Koblenz


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Ende des Menschlichen

Annegret Ritzel inszeniert die Walküre als Endspiel aller Menschlichkeit: Vor der Kulisse der Manhattan-Skyline agieren die Götter als moribunde Party-Clique, sind von den Ereignissen überrollt – und verschwinden alle als Opfer der gnadenlosen kapitalistischen Brutalitäten: zum Auftritt der Walküren werden Filmszenen aus Apocalypse Now projiziert, die Szene ist bestimmt von einem Konvolut des Zivilisations-Mülls – am rechten Bühnenportal reflektiert eine Wand mit Spiegelfolien das Geschehen. Ritzels einfühlsame Personenführung akzentuiert die archetypisch-mythischen Leidenschaften des Menschlichen: unbedingte Liebe, Brutalität, Egoismus, Vertrauen, Mut, Trotz, Solidarität – und endliche Entsagung. Die Walküre ist in Koblenz nicht der erste Abend des Rings, wird als intensives Kammerspiel verstanden – das Orchester ist im Bühnenhintergrund platziert, abgetrennt durch Lamellenwand bzw. transparente Konstruktionen, die Spielfläche reicht bis an die erste Reihe im Parkett. Das „funktioniert“ in dem intimen Haus geradezu fabelhaft!

Die grandiosen Sänger-Darsteller lassen sich auf diese opern-ungewöhnliche Situation hingebungsvoll ein, singen die hoch emotionalisierten Vorgaben mit erkennbarer Leidenschaft für die diffizilen Gefühlsregungen, die im großen Opernhaus so oft in Stentor-Stimmen untergehen. Sabine Paßow gelingt eine geradezu hinreißende Brünnhilde - anschmiegsam, aufmüpfig, hingebungsvoll, verzweifelt, entsagend; die wandlungsfähig-modulationsreiche Stimme der großartigen Sängerin transportiert diese Gefühlswelten mit unvergleichlicher Intensität – getragen von einem nuancenreichen Spiel der kleinen Gesten. John Charles Pierce gibt dem Siegmund elementare Emotionalität, ist Flüchtling, Liebender, Kämpfer und Opfer – und lässt einen strahlenden Tenor wirken, der in balsamischem Legato, differenzierten Variationen, standfesten Höhen und voluminöser Mittellage über ein schier unerschöpfliches Reservoir an dramatisch-emotionalem Ausdruck verfügt. Sigrun Schell spielt und singt eine liebende, sterbende Sieglinde mit zu Herzen gehender Impulsivität, beeindruckt mit kontrollierten Höhen beherrscht die Tücken des Wagnerschen „Sprechgesangs“ mit variabler Souveränität. Andreas Macco ist ein Wotan als gescheiterter „Manager“, vermag dies Scheitern mit grundsolider Stimme emotional bewegend umzusetzen, verfügt über die stimmlichen Reserven zur Interpretation elementarer Empfindungen und überzeugt mit klarer Artikulation. Rita Kapfhammer ist eine stimmlich außerordentlich klangreine Fricka, lässt mit der vermittelten Botschaft jeden Gedanken an den Selbstzweck des Gesangs vergessen – eine nachhaltige Demonstration außergewöhnlich reflektierten Wagner-Gesangs.

Ulrich Schreiber verkörpert den eher eindimensional-brutalen Hunding mit stupender Kraft, aber auch zurückgenommener, reflektierender Stimmkraft. Die acht Walküren faszinieren vor allem im dramatischen Zusammen-Klang – da wird krasse Emotionalität zum sängerischen Ereignis, da agiert ein Kollektiv mit geradezu elementarer Wucht.

Anton Marik realisiert mit dem bewundernswert konzentriert aufspielenden Staatsorchester Rheinische Philharmoniker das fast „kammermusikalische“ Konzept, intoniert sehr behutsam – im Tempo bisweilen an die Grenzen der Langsamkeit gehend, aber mit den kalkulierten Fermaten die Spannung steigernd; während der gesamten fünf Stunden verliert der Klang nicht an Intensität, bleibt Zurückhaltung und luzides Spiel bestimmend – übergeht aber auch nicht die Wagner-Faszination mit ihren musikalisch-rhetorischen Mitteln der thematischen Redundanzen, der manipulierenden Leit-Motive, der suggestiven Klang-„Gewalt“.

Wagner inhaltlich innovativ begriffen, musikalisch fern von allem Bombast, sängerisch hoch differenziert emotionalisierend präsentiert – im atmosphärisch dichten historischen Koblenzer Theater herrscht gespannte Aufmerksamkeit, angereiste Wagner-Freaks und das regionale Publikum sind sich offenbar einig: So wird Wagners Werk zum nachvollziehbaren kommunikativen Verstehen von Gesellschaft. Tosender Applaus! (frs)

 
 
Foto: Theater Koblenz