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Fakten zur Aufführung 

DON QUICHOTTE
(Jules Massenet)
24. November 2009
(Premiere: 7. November 2009)

Theater Koblenz


Points of Honor                      

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Abschied der Phantasie

Geradezu überfallartig eröffnet Kristina Poska mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie den hoffnungslosen Kampf der Phantasie gegen die banale Umwelt. Auftrumpfend das brutale Blech, nahezu verträumt sehnsüchtig die grundierenden Streicher: Massenets so oft als trivial verkannte Musik wird zu differenziertem Leben erweckt – sein souverän-reflektierter Einsatz spanischer Folklore, seine frappierende Kunst des Melodienaufbaus, die faszinierenden Brüche im scheinbar harmonischen Strömen der Klänge. Neue Erfahrungen – in Absprache offenbar mit dem überlegten Regie-Konzept.

Philipp Kochheims Idee, auf die Klischees des „Ritters von der traurigen Gestalt“ mit seiner Rosinante zu verzichten, statt dessen den Quichotte als phantasie-orientierten Störfaktor in der Angestelltenwelt der 20er Jahre zu verstehen – das beweist radikalen Umgang mit der Vorlage, ohne die Botschaft des unsterblichen Cervantes-Werks zu konterkarieren. Auf der Bühne entstehen immer wieder Szenen der Annäherung, unterbrochen durch scharenweises Auftauchen hemmungslos fröhlicher Massen. Dazu: diffizile Charakterstudien der Dulcinea, ein Sancho Pansa als Vermittler zwischen den Welten - und ein bewegendes Ende mit dem melancholischen Abgehen Quichottes, dem Abschied der Phantasie aus einer funktionalisierten Welt mit ihren hermetischen Ritualen.

Thomas Gruber baut dazu eine „Aktengruft“, endlose Bücherregale mit umlaufender Galerie, beherrscht von einer gnadenlos monströsen Uhr – Metapher für die Unmöglichkeit spontaner Phantasie.

Mit Jongmin Lim ist eine überaus tragfähige Stimme mit enormem Volumen als Quichotte zu hören – Phrasierung und Darstellung bleiben allerdings hinter diesem Eindruck zurück. Michael Mrosek beeindruckt als stimmkräftiger Sancho Pansa, sicher in bravourösen Höhen, intensiv im Ausdruck. Aurea Marston ist eine durchaus ambivalente Dulcinea – Verkörperung der von Quichotte imaginierten Schönheit, verwandte Seele, aber auch gefangen im „System“. Ihr wandlungsfähiger Sopran vermittelt vor allem in den ausdrucksvollen Tiefen ein Gefühl absoluter Trauer, vermag aber auch die aufgespürten modernen Brüche in Massenets Musik auszudrücken. In den weiteren Rollen präsentiert sich das Koblenzer Ensemble als konkurrenzfähige Einheit kompetenten Gesangs.

Das Publikum im wunderschönen Koblenzer Theater folgt aufmerksam, doch leicht irritiert ob des nicht erwarteten Bühnen-Geschehens. Es helfen die pfiffigen Übertitel, die eher die Handlung beschreiben, und nur selten die gesungenen Texte wiedergeben! Ein großer Abend – der hoffen lässt, in der nächsten Spielzeit einem Werther mit ähnlichem Innovationspotential zu begegnen. (Das Spielzeitheft für 2010/11 liegt bereits vor – Rekord in Koblenz!)

Franz R. Stuke

 




 
Fotos: Matthias Baus