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Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
30. Oktober 2010 (Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


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Mitunter unfreiwillig komisch

Als sich der Vorhang hebt, blickt der Zuschauer auf das von Reinis Suhanovs gestaltete Einheitsbühnenbild – ein den Bühnenraum stark einengendes Halbrund aus Säulen und Bögen, das mal Burg, mal Kloster, dann wieder Gefängnis darstellt. Durch die stimmungsvolle Ausleuchtung von Kevin Wyn-Jones bildet diese Kulisse den abwechslungsreichen Rahmen für die Neuinszenierung des Trovatore am Stadttheater Klagenfurt, einem Haus, das im September noch durch die Ausgrabung und Uraufführung des über 200 Jahre alten Werkes Koukourgi von Luigi Cherubini von sich reden machte.
Nun wendet man sich also wieder dem so genannten Standardrepertoire zu und gibt in einer Koproduktion mit dem kroatischen Nationaltheater Zagreb Verdis Straßenfeger. Dass die Themen Fremdenfeindlichkeit und –ausgrenzung auch 157 Jahre nach der Uraufführung des Werkes nichts von ihrer Aktualität verloren haben, weiß man nicht erst seit der von Thilo Sarrazin iniziierten Integrationsdebatte oder der Massenausweisung von Roma aus Frankreich. Die Aktualisierungsversuche von Regisseur Andrejs Žagars erschöpfen sich jedoch im Wesentlichen in den camouflagebedruckten Uniformen der Protagonisten (Kostüme: Kristine Pasternaka) und den mit Plastiktüten überladenen Einkaufswagen im Zigeunerlager. Der Generaldirektor der lettischen Staatsoper betont in seiner Inszenierung den Kampf und überlässt die Protagonisten in vielen Szenen, in denen das Zwischenmenschliche im Vordergrund stehen sollte, sich selbst - so halten sich z. B. Manrico und Leonora in der Sterbeszene minutenlang gebeugt herumstehend in den Armen. Doch auch die bewegten Szenen geraten teilweise beinahe unfreiwillig komisch, beispielsweise wenn die Brüder sich bei ihrem ersten Aufeinandertreffen dadurch bekämpfen, dass sie einander mit Arzneimittelpaketen bewerfen, oder wenn Azucena den Inhalt ihres bereits erwähnten Einkaufswagens selbst gegen ihresgleichen verteidigen muss oder zur Visualisierung der Kindesverbrennung eine ihrer Plastiktüten auf den Boden wirft.
Musikalisch bietet der Abend da wesentlich Erquicklicheres. Allen voran mit Dinara Alieva hat das Kärtner Haus eine Gastsängerin verpflichtet, die in der Gestaltung ihrer Rolle aufgeht. Mit gelenkiger Stimme meistert die junge Aserbaidschanerin die heikle Partitur, ihren warm timbrierten Sopran führt sie facettenreich und sicher, lediglich im „Miserere“ des letzten Aktes gleitet sie bisweilen zu stark ins Kehlige ab. Bernadett Wiedemann zeigt eine äußerst intensive Interpretation der alten, von Rachegelüsten gesteuerten Zigeunerin Azucena und man ist am Ende des Abends geneigt, Verdis zeitweilige Idee zu befürworten , die Oper nach der Mutter statt nach dem Sohn zu benennen. Diesen verkörpert am Premierenabend der aus Uruguay stammende Gaston Rivero. Die schwierige Partie verlangt jedem Tenor zweifelsohne alles ab, Riveros Stimme verfügt auch über die dafür erforderliche kraftvolle, sichere Höhe; als Zuhörer wünscht man sich jedoch stellenweise ein wenig mehr Mut zu Gefühl und Piano. Ähnliches gilt für den italienischen Bariton Francesco Landolfi, der die Rolle des Grafen Luna technisch sauber darbietet. Vielleicht ist die Tatsache, dass man ihm selbst in seiner großen Arie nicht abnimmt, dass er Leonora wirklich liebt und sie nicht nur um des Sieges Willen besitzen will, auch eher den Anweisungen der Regie denn den stimmlichen wie darstellerischen Möglichkeiten des Sängers geschuldet. Selbst die kleineren Rollen können sich hören und sehen lassen: Karina Akopyan ist eine fürsorgliche Ines, Alexander Nossikoff überzeugt als Ferrando und Anton Graner verleiht der Rolle des Ruiz Profil.
Peter Marschik feuert das Kärtner Sinfonieorchester zu einer mehr als soliden Verdi-Interpretation an; sind die Tempi mitunter auch ein wenig forsch gewählt und gibt es bei der Premiere bisweilen leichte Abstimmungsschwierigkeiten vor allem mit dem von Günter Wallner geleiteten Chor, hört man aus dem Orchestergraben einen zutiefst bewegenden Verdi.
Alles in allem also ein durchaus hörens- und sehenswerter Abend. Das Klagenfurter Premierenpublikum applaudiert begeistert – vor allem den Damen sowie der musikalischen Leitung. Letzteres verwundert zumindest vor dem Hintergrund, dass sich das Publikum bei der Premiere äußerst geschwätzig zeigt, erst nach dem ersten gesungenen Ton zur Ruhe kommt und während der Vorstellungen die rein instrumentalen Passagen gar nicht als Teil der Oper wahrzunehmen scheint.

Jochen Rüth

 









Fotos: © Stadttheater Klagenfurt/
Helge Bauer