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Fakten zur Aufführung 

DON CARLOS
(Giuseppe Verdi)
1. November 2008
(Premiere: 27. September 2008)

Theater Kiel


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Psychologie der Beziehungen

Das ist das Faszinierende an der Deutung des Kieler Intendanten Daniel Karasek: Ihm gelingt es, Verdis Opernfiguren genau die scharfen Profile zu geben, die ihnen bereits Friedrich Schiller in seinem Drama „Don Carlos“ zuordnete.

Der Titelheld ist ein Suchender, hin- und hergerissen zwischen Pflicht und Liebe, sein Vater der düstre Konservative, Posa der intellektuelle Neuerer, Elisabeth die brave Tochter und gehorsame Gattin, die Eboli schließlich ein Triebtierchen.

Faszinierend, weil es Karasek gelang, diese Charakterkonstanten in seiner einfühlsamen Personenregie zueinander in Beziehung zu setzen und aufbrechende Konflikte zu verdeutlichen. Da genügte oft eine leichte Handbewegung, ein verächtlicher Blick – einfach überzeugend.

Es hätte der modernistischen, reduzierten Bühne (Lars Peter) nicht bedurft, um die Modernität der Konflikte zu unterstreichen. Das schafften die Akteure ganz allein durch ihr Spiel. Plastikbaumstämme im eröffnenden Fontainebleau-Akt wirkten da eher überholt.

Noch ein Plus dieser Inszenierung: sie gibt dem Publikum die Möglichkeit, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren, die mitunter fast kontemplative Momente entwickelt. Das ist nicht unbedingt pulsierendes Verdi-Leben, liefert aber tiefe psychologische Einsichten in die Figuren.

Umwerfend Adina Aaron als Elisabetta, die sich mit Haut und Haar in deren ambivalente Gefühle hinein versenkt und einen goldenen, leicht dunkel timbrierten Sopran verströmt. Ihr Abschied von der verbannten Gräfin Aremberg: einer von vielen Höhepunkten dieser Sänger-Darstellerin!

Auch Thorsten Grümbel lebt geradezu in seiner Rolle. Sein Philipp II. ist Machtmensch und Gebrochener zugleich. Der Großinquisitor (Hakan Tirasoglu - von stimmlicher und körperlicher Statur gleichermaßen Ehrfurcht erheischend) gibt sich unerbittlich.

Emmanuel di Villarosa, ein konditionsstarker Don Carlos mit viel Italianità in der Stimme, könnte noch ein Quentchen mehr Intensität mobilisieren. Tomohiro Takada dagegen ist schlichtweg eine Idealbesetzung für den Marquis von Posa. Sein völlig ebenmäßiger, runder, ausgeglichener Bariton fasziniert vom ersten Moment an: voller Leidenschaft und von großer Glaubwürdigkeit, exemplarisch bei seiner Klage über die gesellschaftlich-menschlichen Zustände in Flandern.

Marina Fideli ist eine verletzte Eboli – allerdings fehlt es ihrem sehr angenehm natürlich strömendem Mezzo an jener Glut, durch die ihre wilde Raserei erfahrbar gemacht würde.

Georg Fritzsch am Pult des Philharmonischen Orchesters entwickelt saft- und kraftvollen Verdi-Klang, auch wenn der letzte Funke noch fehlt, um die Partitur an ihren dramatischsten Stellen wirklich kochen zu lassen, so etwa beim Autodafé. Dennoch: die Sogwirkung der Musik ist enorm.

In Reihe Eins sitzt ein schätzungsweise zwölfjähriger Knirps, der seinen Sitznachbarn stolz berichtet, es sei die fünfzehnte Opernkarte, mit der er in den letzten drei Jahren ins Kieler Opernhaus käme. Na, das lässt doch für die Zukunft hoffen!

Ansonsten gemischtes Publikum von Alt bis Jung im nahezu ausverkauften Haus. Zustimmendes Kopfnicken ob der Inszenierung, Riesenbeifall für Orchester und Ensemble.

Christoph Schulte im Walde

 














Fotos: © struck-foto