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Roberto Paternostro intoniert mit
dem exakt aufspielenden Kasseler Orchester sehr eingängige Musik, lässt
bei den Arpeggien und den atonalen Brüchen der Verdammung dramatische
Tupfer zu.
Ein Rundhorizont mit abzweigendem geschwungenen Raumelement - und einer
Turnhalleninstallation mit einholmigen Barren als "teure Halle": Carl
Friedrich Oberles triste Konstruktion vermittelt gnadenlose Kälte.
Rosamund Gilmore choreographiert: eine gefühlskalte Gesellschaft mit abgehackten
ritualisierten Gesten im Venusberg, auf der Wartburg, im Pilgerzug; Tannhäuser
als ambivalenter Filou, Wolfram als indifferenter Moderator - allein Elisabeth
als liebesfähige Frau, die chancenlos ihren Gefühlen folgt; am Ende ein
Wenig Hoffnung: da stehen wie mit Laubwedeln, Tannhäuser schreitet aufwärts.
Die gesellschaftskritische Analyse vermag keine Emotionen freizusetzen,
Oper als "Sensibilisierung für Gefühle" ist - wenn überhaupt dialektisch
zu reflektieren.
Unter diesem einengenden Konzept bleibt den Solisten nicht viel Spielraum
für hinreißende Performance, zumal die Stimmen nicht zu faszinieren vermögen:
allein das Gebet gelingt Wiebke Goetjes mit einiger Anrührung; Hendrik
Vonk sucht sein Format, zu sehr muss er stemmen, Ausgewogenheit zu finden
wird ihm schwer, das Legato fehlt - dem "netten Kerl" bleibt seine sympathische
Ausstrahlung und die Suche nach dem Sitz der Stimme! Gesanglich ist Tito
You der Star des Abends mit kraftvoll-weich strömendem Bariton. Das übrige
Ensemble bleibt blass, der Chor klingt breiig.
Proteste des Publikums bleiben aus, doch ist der Beifall verhalten - die
erforderliche anschließende Auseinandersetzung mit der gebotenen Oper
ohne Sinnlichkeit vermag keine spontanen Leidenschaften freizusetzen.
Die Erinnerung an Kassels Wagner-Kult in den 70er und den "Ring" in den
9oer Jahren relativiert das aktuelle Angebot! (frs) |
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