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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
21. Februar 2009 (Premiere)

Staatstheater Kassel


Points of Honor                      

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Faszination des Unheimlichen

Ein Luxus-Liner ist gekentert, die Party-Passagiere sind an felsigem Ufer gestrandet. Da taucht wie ein Bote des Unheimlichen der „Holländer“ auf, wird zum Auslöser selbstzerstörerischer Kräfte, wirkt faszinierend auf die schwärmerische Senta, entpuppt sich als Inkarnation des mystischen „Schmerzensmannes“. Chaos bricht aus, Gewalt macht sich breit – es ist wie bei Polanskys Katelbach: das Grauen bringt latente Brutalität ans Licht, decouvriert Aggressivität und heimliche Begierden. Senta endet zwischen den Opfern der obskuren Bedrohungen.

Lorenzo Fioroni inszeniert eine äußerst spannende Geschichte mit existenzialistisch-kritischem Fokus. Das komplex-variantenreiche Bühnenhandeln vermittelt permanente Spannung, demonstriert individuelles ambivalentes Agieren unter Zwang und versetzt den Bewegungs-Chor in verblüffend-ausdrucksvolle Aktion. Nur: Dies alles hat mit dem per Übertitel vermittelten Text wenig zu tun - und straft sich mit den am Ende auftauchenden smarten Marines selbst Lügen. Offenbar ist die spektakuläre Dekonstruktion des frühen Erlösungs-Dramas nicht genügend dramaturgisch reflektiert.

Cordelia Matthes stellt eine imaginierende Felsen-Zerklüftung mit spitzen Graten und verdeckten Höhlen auf die Bühne - das wirkt im dicht-schwebendem Nebel wie dämonisch verschleierte Romantik im Stil Caspar David Friedrichs. Sabine Blickenstorfer entwirft typen-kontroverse Kostüme – die Party-Ladies in Glitzer-Kleidern, den Holländer und die enthemmten Männer in blutverschmiertem Outfit.

Patrik Ringborg leitet das extrem spielfreudige Staatsorchester Kassel zu dynamisch eindrucksvollem Spiel, vermittelt vor allem in intensiven Piani und Spannung steigernden Pausen eine Hitchcock-gemäße Spannung, sorgt für transparentes Zusammenspiel, gibt Raum für beeindruckende Instrumenten-Soli - doch kann er immer wieder störende Unsauberkeiten in den Einsätzen offenbar nicht verhindern.

Stefan Adam gibt dem mysteriös-überwältigenden Holländer entsprechend changierende Figur, vermittelt stimmlich mit variablem Bass-Bariton sehnsüchtig-aggressiven Klang. Mario Klein ist mit kraftvoll-intonierendem Klang der geradlinig-unbegriffene Daland. Jörg Dürmüller ist als rational argumentierender Erik im Fach des Heldentenoralen angekommen, überzeugt mit flexiblem Ausdruck – und verleiht dem Erik ambivalenten Charakter. Astrid Weber gelingt die Senta mit hochdramatischem Ausdruck, vermittelt die komplex-verstörte Gefühlswelt der schwärmend-illusionierten jungen Frau mit dramatischen Höhen und einer ungemein ausdrucksstarken Mittellage. Inna Kalinina als Mary und Johannes An als Steuermann steuern kompetente Stimmen bei – und dem Chor gelingen brausend-ausdrucksvolle Passagen einer „Erlösung“ ohne Hoffnung!

Das Publikum ist schier hingerissen vom mysteriös-spannenden Geschehen, hinterfragt allerdings verstört die Diskrepanz zwischen Übertiteln und Bühnen-Geschehen, lässt sich aber auf die erzählte Geschichte ein, goutiert die Effekt stimulierende Musik und bewundert die exzeptionellen sängerischen Leistungen. Schon im Voraus abgesprochen – gröhlende Buhs einer peinlich-unzivilisierten Minderheit. (frs)

 

 






 
Fotos: Dominik Ketz