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Fakten zur Aufführung 

HERCULES
(Georg Friedrich Händel)
20. Dezember 2008 Premiere)

Staatstheater Kassel


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Sophisticated

Ein feierlich-distanziertes cooles Spiel, angelegt in den anachronistisch wechselnden Zeit-Sujets, intelligent wechselnd zwischen Antike, Renaissance und einer karikierten Moderne. Dabei geht es Dominique Mentha um die Vision eines friedlichen Zusammenlebens – nimmt dabei die an Affekten orientierte Händel-Musik als Botschaft humanitärer Strebungen ideengeschichtlich ernst, setzt auf „prima le parole“ und lässt die personae dramatis in artifiziell konstruierten Bühnen-Situationen schwebend-zeitlos agieren. Der antike Mythos um Herkules, der von seiner zu Unrecht eifersüchtigen Frau Dejanira in das todbringende Nessos-Gewand gebracht wird und dann den Tod in den Flammen findet, wird zur Tragödie menschlicher Emotionen – mit dem Aufstieg des Hercules in den Götterhimmel.

Auf- und absinkende Vorhänge mit überdimensionierten Architektur-Plänen antikisierender Säulen und Bogen (Bühne: Werner Hutterli) schaffen Spielräume für ritualisiertes Handeln, unterstützt durch karikierende Kostüme von Anna Ardelius; das alles ergibt mit eingestreuten pseudo-aktualisierenden gags – wie das Einschenken von Champagner, dem Erscheinen des Chors als distinguiertes Kammer-Ensemble und dem permanenten Kassel-Herkules - eher die Demonstration unbewältigter antiker Mythen als die Deutung eines archetypischen Konflikts zwischen persönlicher Emotionalität und politisch-öffentlicher Kommunikation.

Das geduldige Kasseler Premieren-Publikum sieht sich in seinen – konservativen – Vorstellungen ästhetisch bestärkt – und applaudiert höchst animiert.

Grund dafür ist auch die feierliche Präsentation der Händel-Musik des nicht streikenden Staatsorchesters Kassel unter Howard Arman: gleichbleibend im Tempo, ohne hörbare Dynamik, ausgewogen im Zusammenklang, zurückhaltend in der Solisten-Begleitung – aber auch ohne Leidenschaft in Sachen spirituellen Faszinosums: alles musikalisch brav-gekonnt, aber ohne Händel-Furor im Ausdruck elementarer Gefühlswelten; da sind seit Jahren schon ganz andere Maßstäbe gesetzt!

Und auch den diszipliniert auftretenden Solisten will – bei allem Schön-Gesang – das hinreißende Mit-Leiden nicht gelingen: Monika Walerowicz ist als eifersüchtige Dejanira Mittelpunkt der Handlung, verströmt edle Verzweiflung mit zauberhaftem Timbre und ausdrucksstarken Koloraturen; Derrick Ballards Hercules ist bewundernswert kraftvoll bei Stimme, vermittelt mit kalkulierten Variationen den Charakter eines geradlinigen Haudegens; Nicole Chevalier beeindruckt mit agiler Phrasierung als unschuldig verdächtigte Iole; Young-Hoon Heo gibt mit tapferem Bemühen um angemessen variantenreichen Barock-Gesang einen eher unbegriffenen Hyllus; Inna Kalinina verkörpert den vergeblich moderierenden Lichas – ihr gelingt ein stimmlich überzeugendes Porträt mit souveräner stimmlicher Präsenz; und Eirik Roland Egeberg-Jensen intoniert einen glaubhaft-sendungsbewussten Jupiter-Priester. Dem Chor des Theaters Kassel (Leitung: Marco Zeiser Celesti) ist für szenengerechtes Agieren und sensibles kollektives Eingehen auf die subtilen Aufgaben des kollektiven Kommentierens der so ambivalenten Handlungs-Varianten zu danken.

Ein durchaus „vergnüglicher“ Abend – nehmt alles nur in allem! (frs)
 






 
Fotos: Dominik Ketz