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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Pjotr Iljitsch Tschaikowski)
17. März 2002


Staatstheater Kassel


IRRITATIONEN

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Wenn man sich an die Theaterzeitung hält, geht es in Kassels "Onegin" um die "Idee der Freundschaft in Eiseskälte"; das Programmheft allerdings insistiert auf "Zeiträume", auf einen "ontologischen Zeitfluß" als Gegensatz zur "psychisch determinierten Zeit". Auf der Bühne allerdings ist nur die panische Angst der Regisseurin (Antje Keiser) vor Narrativem, vor glaubwürdigen Charakteren zu erleben. Mit exaltierter Körpersprache im Stil des expressiven Ausdruckstanzes, mit enigmatischen Verweisen auf Tschaikowski-Motive (Schwanensee) und demonstrative Verlegung in eine marionettenhafte Kolchos-Szene ergeben sich Gelegenheiten für intellektuelle Beobachtungen - nur die "Sensibilisierung für Gefühle" (Mortier) will sich nicht einstellen. Doch fasziniert das nahezu dämonische Schlussbild: Tatjana und Onegin wie aneinander gefesselt!

Die Sängerdarstellter werden mit diesem Konzept "gebrochener Realität" physisch enorm beansprucht; desto größer der Respekt vor der stimmlichen Kompetenz: Alexandra Klooses Olga zeigt die Variationsmöglichkeiten eines ausdrucksstarken Alt; Friedemann Röhlig ist als Gremin einer der vielversprechenden jungen Bässe; mit Andrej Dounaew ist ein lebhaft phrasierender Lenski zu hören; Michaela Mehring ist eine souveräne Larina ebenso wie Anja Schmidt als Amme. Sebastian Bollacher (Onegin) kommt mit dem Regiekonzept nicht klar, verliert dadurch auch an stimmlicher Ausdruckskraft; Petra Schmidt beeindruckt durch schiere Selbstverleugnung, wenn sie z.B. bei der Briefszene über eine gewölbte Rampe krabbeln muss und dabei auch noch Tschaikowski-Wohlklang verströmt - doch wirkliche Statur gewinnt sie erst als zerrissene Gremlina: mit kraftvollen Höhen ohne Schärfen, mit hinreißender Leidenschaft!

Die Bühne von Hans Dieter Schaal - eine eiskalte Landschaft als Vorhangsprojektion - konfrontiert zerbrochene Interieurs mit Ausblicken ins Unendliche: Inszenierungsidee und optische Umsetzung finden zueinander.

Chor (Adrian Müller) und Orchester des Kasseler Staatstheaters präsentieren sich in Hochform. Arne Willimczik leitet sensibel, der "Sehnsuchtston" wird hörbar, vermittelt das, was der Szene abgeht: emotionales Mitleiden.

In Kassel scheinen sich die Irritationen einer theoretisch überfrachteten Produktion herumgesprochen zu haben: das Haus ist spärlich besetzt, doch die Anwesenden gehen auf das Angebot ein - zum einen irritiert-zurückhaltend, zum anderen individuell assoziierend und schließlich respektvoll zustimmend. (frs)