Einheit der Künste
Man entschuldigt sich für eventuelle Störungen durch die WM-Begeisterung außerhalb des Theaterzelts - doch die Hupkonzerte nach dem Argie-Spiel sind ein Glücksfall für Immo Karamanns Ariadne-Inszenierung: Ist die Oper fokussiert auf die Einheit der Künste bei allen immanenten Widersprüchen, findet berührende Höhepunkte in den intensiven Momenten der Nähe von Zerlinetta und Ariadne, so kontrastiert die tobende Außenwelt und unreflektierte Sieges-Emotionalität mit der Nachdenklichkeit tiefer Gefühle. Flexible Personenführung und nachvollziehbares Konzept lassen die Kasseler "Ariadne" zu einem intensiven Erlebnis werden. Die Mäzenaten-Satire des ersten Akts gibt dem antiken Gefühls-Drama auf Naxos stimulierenden Wert.
Johann Jörgs Bühne weckt mit Plakatwänden und Werbetext-Rudimenten ("Flucht ins Amüsement") sowie sparsamen Vorhängen und Requisiten die Assoziationsbereitschaft der Zuschauer. Leider setzt er im Zelt auf den Bau einer Guckkasten-Bühne; schade!
Das Orchester des Staatstheaters Kassel geht unter dem vividen Roberto Paternostro hochmotiviert zur Sache, betont die Straussschen Lyrismen und dramatischen Brüche mit viel Einfühlungsvermögen (und macht deutlich, was die Substanz von Musik ausmacht - die röhrende Huperei von außen hat keinen Chance gegen den intensiven Orchesterklang)!
Janet Harach bewältigt die Ariadne-Rolle mit großer Souveränität und agiler Stimmkultur; Byung-Soon Lee variiert beglückend-emotional zwischen munterem Spiel und Akzenten der Nachdenklichkeit; Mathias Schulz macht die mörderische Tescitura der Bacchus-Rolle als Tenor zu schaffen; das Kasseler Ensemble wird mit den Strauss-Herausforderungen brillant fertig. Besonders hervorzuheben Monika Walerowicz als ausdrucksstarker Komponist.
Natürlich ist das Zelt an diesem heißen Juni-Abend und dem WM-Highlight nicht rappelvoll. Doch belegt dieses Auditorium die verstehende Toleranz gegenüber der selbstvergessen-unbegriffenen Sangesfreude auf den Straßen. Ein Triumph für die Kunst! (frs)
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