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Fakten zur Aufführung 

SAMSON ET DALILA
(Camille Saint-Saëns)
15. Oktober 2010 (Premiere)

Badisches Staatstheater Karlsruhe


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Zerbersten muss das Ölfeld

Die Sache hatte schon ein bisschen Eventcharakter. José Cura, argentinischer Tenor, der vor Jahren eine bemerkenswerte Karriere startete, die ihn inzwischen an fast alle relevanten Opernhäuser geführt hat, setzte in Karlsruhe zum Rundumschlag an: Er führte in Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns nicht nur Regie, sondern er besorgte auch gleich noch die Ausstattung und sang – das wiederum eine Selbstverständlichkeit – die Titelpartie. Kein Wunder, dass sogar in der eigentlich beschaulichen Beamtenstadt Karlsruhe ein kleiner Hype entstand, der für einen Moment vergessen ließ, dass dem Haus in der nächsten Saison erhebliche Etat-Kürzungen bevorstehen, es sei denn, die Politiker besännen sich noch eines Besseren.
Also alles aus einem Guss? José Cura denkt in Bildern, die an Filmszenen erinnern, an Kinobreitwand, und er erzeugt dadurch einen plakativen Pseudorealismus. Brüche in den Figuren sind dabei ausgeschlossen. Samson, der seine durch Fremdherrschaft geknechteten Israeliten zum zeitweiligen Sieg über die Besatzer führt, lebt Selbstzweifel und Aufruhr aus, am Ende dann das große Leiden, nachdem ihn die böse Dalila um den Finger gewickelt hat und versklavt. Ja, wahrscheinlich muss es so sein, denn alttestamentarische Stoffe lassen sich holzschnittartig erzählen, auch wenn Cura dafür Anklänge des Heute verwendet: Irgendwo im Niemandsland ist ein Volk zur Zwangsarbeit auf düster-brennenden Ölfeldern verurteilt, auch die – munter herum springenden - Kinder als Hoffnungsträger bringen keine Befriedung, denn nicht einmal gemeinsam spielen dürfen sie in den verfeindeten Lagern.
Drei Bohrtürme, multifunktional auch als Wachtürme für die Fascho-Philister geeignet, und die dazu gehörenden schwergewichtigen Pendelpumpen bestimmen übermächtig die Bühne.
Bedrückend also die Szene, überwiegend effektiv die Musik, die der erste Kapellmeister Jochem Hochstenbach mit der Badischen Staatskapelle aus dem Graben aufblühen und dann aufblitzen lässt, wenn Jahwe zum himmlischen Donner bläst. Viele Farben und dramaturgisch genau gesetzte Akzente sowie eine passable Sängerführung bestimmen das Dirigat. An wenigen Stellen müssen sich die Sänger etwas mühen, um gegen den Grabenklang anzukommen. Auch die Chöre, von der Regie vor allem im dritten Bild sehr statisch eingesetzt, lassen sich in der Einstudierung von Ulrich Wagner sehr gut hören.
Hat er sich nun doch zu viel zugemutet, der Sänger-Regisseur-Bildner José Cura? Dieser Eindruck konnte entstehen, weil er in der Titelpartie zwar außerordentlich starke Emotionen in die Gesangslinie einfließen ließ, allerdings um den Preis einiger deutlicher Registerschwankungen, und weil die Personenführung eher klischeehaft funktionierte. Im zweiten Bild darf Dalila (großartig der dunkel-glutvoll gefärbte Mezzo von Julia Gertseva) nicht nur über einen Serail holder Jungfrauen gebieten, sondern auch Eros pur servieren. Na ja, da muss dieser Samson doch, im weißen Bühnenvorhang eingewickelt, endgültig den Verstand verlieren. Aber könnte diese Dalila-Figur nicht auch etwas zwiespältiger gezeichnet werden? Im Gesangsensemble fiel neben den Hauptfiguren der wuchtige Charakterbariton von Stefan Stoll als Oberpriester auf, während Lukas Schmid als Abimelech auf runde Bassführung setzte.
Die Bilder, die Cura entwickelt, brennen sich durchaus ein, aber in der verfeinerten Ästhetik des so genannten Regie-Theaters wirkt Curas Sicht der Dinge doch recht eindimensional. So etwa im letzten Akt, wenn der erniedrigte Samson an der Pendelpumpe zerrt und ein Sieger-Wächter nach der Vergewaltigung den Hosenbund zuschnürt. Bühnentechnisch bemerkenswert gut gemacht aber, wie Samson schließlich die Bohrtürme aus letzter Kraftanstrengung ins Stürzen bringt. Der Kampf um Glaubenshoheit und Ressourcen endet in verbrannter Erde.
Riesiger, ungeteilter Premierenbeifall.

Eckhard Britsch











 
Fotos: Jacqueline Krause-Burberg